(Über das z. Zt. lebhafte Medienecho freuen wir uns sehr, können hier aber ab 2012-11-28 aus Zeitgründen nur kleine Ausschnitte zeigen und beschränken uns deshalb vorerst auf die Berichterstattung die anderweitig nicht (oder nicht gleich) im Netz zu finden ist.
(...) "Gutachten ohne persönliche Untersuchungen,
ohne ausreichende Datengrundlage, ohne schlüssige Nachvollziehbarkeit
und Begründung sind der unerträgliche Alltags-,Standard‘
— leider gedeckt von Richtern, die nicht in der Lage
oder gar willens sind, die Sachverständigen kritisch
und kompetent anzuleiten, zu kontrollieren und zu prüfen." Der
Erlanger forensische Psychologe und Psychotherapeut Dr. Rudolf
Sponsel — einer der 17 Autor(inn)en des Bandes — beschuldigt
zahlreiche seiner Berufskollegen, die psychiatrischen
Gutachter, der "fast
reinen Willkür".
In ihren Begutachtungen werde fleißig "gemeint, gemutmaßt,
gewähnt, phantasiert, was das Zeug hält" — statt auf klarer Grundlage
eine Diagnose und Prognose zu stellen.
Der Chefarzt der Forensik
im Bezirkskrankenhaus Bayreuth, Klaus Leipziger, war zunächst
der Gutachter, der empfahl, Gustl Mollath in der Psychiatrie unterbringen
zu lassen (wo der Nürnberger sieben Jahre lang blieb); später war er der
Chef des Vollzugs, in dem Mollath saß, und schließlich gab der Chefarzt
viele jährliche Stellungnahmen ab, ob der Patient dort weiter bleiben müsse.
Sponsel hält dies für unerträglich; Befangenheit sei programmiert.
Sponsel und der Nervenarzt Harald Rauchfuss setzen sich deshalb
für eine Reform des Strafrechts, des Paragrafen 63 zur Unterbringung in
einer psychiatrischen Anstalt, ein: Gutachten ohne persönliche Untersuchung,
als Ferndiagnose, nur noch in Ausnahmefällen; wirklich externe Psychiater
zur rascheren Kontrolle einer Entscheidung; Sachverständige sollten auf
ihr Gutachten vereidigt werden. Die bisherige Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger hat sich bereits für eine Reform ausgesprochen
(...).
Dies kann auch als das Gute im Schlechten des Skandals benannt werden:
Gustl Ferdinand Mollath (57) und seine Unterstützer haben durch bundesweites
Aufsehen dafür gesorgt, dass Missstände aufgedeckt
wurden und Justiz und Politik schließlich gezwungen waren
zu handeln und Fehler zu korrigieren. Dass es überhaupt so
weit kam, ist auf journalistische Arbeit zurückzuführen.
Michael Kasperowitsch, Redakteur der Nürnberger Nachrichten, hat den Skandal
enthüllt, lange bevor überregionale Zeitungen in die Recherche einstiegen,
und beharrlich und unbeirrt Fehlverhalten und Vertuschungsversuche aufgedeckt.
Kasperowitsch zeichnet seine akribische Arbeit im neuen Buch nochmals nach.
Aus medienpolitischer Sicht bleibt zu konstatieren, dass sich bei überregionalen
Magazinen der Trend eingebürgert hat, bewusst gegen die Entwicklung
zu schreiben, wenn sie nicht zuerst auf einen Fall gestoßen sind — und dass
Lokalblätter oft dazu neigen, Institutionen die absolute Unschuldsvermutung
zuzugestehen, wenn sie sich vor Ort, beispielsweise in Bayreuth, befinden.
Dem Band, den die Soziologen Sascha Pommrenke und Marcus
B. Klöckner als Herausgeber sachkundig und mutig zusammengestellt haben,
liegt eine Erkenntnis zugrunde: Ob Mollath 2001 seine damalige Ehefrau tatsächlich
geschlagen und 2002 viele Autoreifen zerstochen hat, spielt keine Rolle
beim Befund, dass das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth 2006 unter
schweren Rechtsverstößen litt und der Verdacht nicht ausgeräumt werden kann,
dass Rechtsbeugung vorliegt und die Unterbringung unrechtmäßig war.
Strafrechts-Professor
Henning Ernst Müller aus Regensburg verdeutlicht in seinem Buchbeitrag,
dass die Causa Mollath nur in der außergewöhnlichen Häufung von Fehlern
und wegen der politischen Brisanz ein Einzelfall sei. Es gelte nun, systematische
und strukturelle Fehlsteuerungen in der juristischen Praxis zu korrigieren.
Müllers Kollege Ernst Fricke hält fest: "Die bisher zugunsten von Mollath
entschiedenen Verfahren haben schon Rechtsgeschichte geschrieben."
Den Politikskandal
beleuchtet der frühere Fraktionsvorsitzende der Landtagsgrünen, Martin Runge.
Er hält der damaligen Justizministerin Beate Merk vor, dem
Mollath-Untersuchungsausschuss in einem "Schweige-,
Verschleierungs- und Lügenkartell" der Politik wissentlich die Unwahrheit
aufgetischt zu haben.
Die Menschenrechtsbeauftragte der Bayerischen
Landesärztekammer, Maria E. Fick, beschreibt, wie sie Merk
schon 2012 beschwor, Mollath im Zweifel für den Angeklagten auf freien Fuß
zu setzen — erfolglos. Das Schlusswort hat Gustl Mollath selbst: "Macht
braucht Kontrolle, wirksame Kontrolle." Er wartet auf sein Wiederaufnahmeverfahren
und möchte wieder als Oldtimer-Restaurateur arbeiten.
Sascha Pommrenke, Marcus B. Klöckner (Hg.): Staatsversagen auf
höchster Ebene. Was sich nach dem Fall Mollath ändern muss; 208 Seiten;
Westend Verlag, Frankfurt 2013; 12,99 Euro.
(...) Von welcher Relevanz Mollaths Whistleblowing war, wird auch daran
deutlich, dass die HVB offensichtlich des Öfteren mit den
Gesetzen in Konflikt geraten ist – und zwar nicht nur in
Deutschland, sondern auch in den USA. Die Staatsanwaltschaft
des südlichen Distrikts in New York machte bereits 2006 publik,
dass die HVB zugestimmt hat, 29 Mio. US-Dollar als Strafe
für kriminelle Handlungen im Zusammenhang mit Steuerhinterziehung zu zahlen,
damit eine weitere Strafverfolgung ausgesetzt wird. Die Bank
soll zusammen mit einer anderen Firma für einen Steuerschaden
von geschätzten 2,5 Mrd. US-Dollar verantwortlich sein. [Originaldokument]
Die New Yorker Staatsanwaltschaft spricht in diesem Zusammenhang
gar vom größten Kriminalfall im Steuerbereich ("largest criminal
tax case ever filed”).
[Auch Mollath sprach, daran sei erinnert, im Zusammenhang
mit den Schwarzgeldgeschäften vom "größten und wahnsinnigsten
Steuerhinterziehungsskandal", in den auch die HypoVereinsbank verstrickt
sei.]
Und die HVB scheint weiter umtriebig:
Im August 2012 berichtete "Spiegel Online", US-Behörden hätten
Ermittlungen gegen die HVB aufgenommen wegen angeblicher
"Verstöße gegen Iran-Sanktionen". Und erst im Februar dieses
Jahres geriet die Bank auch in Deutschland wegen Steuerhinterziehung
mit Dividendenpapieren in Verdacht, wie die "Wirtschaftswoche"
berichtete.
[WiWo: Steuerhinterziehung kommt HVB teuer zu stehen]
Kontrastiert man diese Erkenntnisse mit den frühen Behauptungen Mollaths über
dubiose Geschäfte innerhalb der HVB, kann man nur zu einem Schluss
kommen: All jene verantwortlichen Personen, die Mollath kontaktierte
und informierte – im Bankensektor, in der Politik und in der
Justiz –, wären gut beraten gewesen, den Vorwürfen entschlossener
nachzugehen. Warum sie es nicht taten, dürfte noch so manchen
investigativen Journalisten beschäftigen. (...)
[Dr. iur. Dieter Deiseroth, ist Richter
am Bundesverwaltungsgericht.
Marcus Klöckner ist Autor und Journalist
für Print- und Onlinemedien, u. a. Telepolis]
Wäre Bayerns Justizministerin Beate Merk nicht schon seit Jahren mit dem Fall Gustl Mollath bis ins Detail vertraut, hätte sie massive rechtliche Bedenken in dieser Zeit nicht immer wieder hartnäckig ignoriert und hätte sie die Unterbringung des Nürnbergers in der Psychiatrie nicht lange Zeit bedingungslos gerechtfertigt — dann könnte man sie etwas ernster nehmen. So allerdings zeugt ihre beinahe höhnische Reaktion auf die Karlsruher Entscheidung von einem erschütternden Maß an Verantwortungslosigkeit.
Merk lässt über ihr Haus nun tatsächlich verbreiten, sie habe doch schließlich schon im Juli 2013 stirnrunzelnd angedeutet, dass man die Frage der Verhältnismäßigkeit der Unterbringung Mollaths stellen könne. Das geschah zu einem Zeitpunkt, als ihr nach massivem politischen Druck gar nichts anderes mehr übrig blieb, wollte sie ihr Amt wenigstens bis zur Landtagswahl retten. Das höchste Gericht rügt allerdings schwere Grundrechtsverstöße aus dem Jahr 2011. Da lebte Beate Merk in der Bewertung des Falles juristisch noch hinter dem Mond.
Ganz unabhängig von den Taten, die Mollath noch vorgeworfen werden, gilt: Die Gründe für eine langjährige Unterbringung in der Psychiatrie sind praktisch nie grundrechtskonform überprüft worden.
In der Gesamtschau der Ereignisse ist die Ministerin untragbar geworden. Kein Wort ist von ihr dazu zu hören, wie solche PsychiatrieKatastrophen in Zukunft verhindert werden können. Vorschläge dazu kommen seit Monaten von ihrer Berliner Kollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sie, immerhin, hat erkannt, dass sich etwas ändern muss.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur sehr wenige Artikel von Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird auch dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Von seiner gelassenen, aber immer leicht kämpferischen, auch bisweilen spöttischen Haltung hat Gustl Mollath in dem wohl bewegendsten Moment seines Lebens nichts eingebüßt. Sieben Jahre saß der 56-jährige Nürnberger unter schwierigsten Umständen in psychiatrischen Krankenhäusern ein. Seine Nachbarn waren auch höchst gefährliche und kranke Kriminelle.
Jetzt steht er vor der Tür des Bayreuther Bezirkskrankenhauses, das ihn nach einem aufreibenden Kampf vor Gerichten, nach enttäuschenden Niederlagen und nie nachlassender Hoffnung in die Freiheit entlassen musste. Sein alter Schulfreund Robert Lindner aus Hersbruck nimmt ihn dort in Empfang. Lindner war all die Jahre im Nürnberger Unterstützerkreis für Mollath aktiv und reicht das Handy für ein kurzes Gespräch mit den Nürnberger Nachrichten an ihn weiter.
Gustl Mollath ist nicht etwa sprachlos, welch überraschende Wende sein gut zehnjähriges Drama mit der unerwarteten Entscheidung des Oberlandesgerichts in Nürnberg genommen hat, das gesamte Verfahren gegen ihn vor Gericht neu aufzurollen. Er wirkt auch emotional nicht sonderlich bewegt. Das kommt vielleicht noch, in ruhigeren Momenten, in den nächsten Tagen. Jetzt beschwert er sich erst einmal gehörig darüber, wie man ihn auch jetzt, an diesem für ihn großen Tag, behandelt hat.
Der Rechtsanwalt, den das Bayreuther Bezirkskrankenhaus mit der Wahrung der eigenen Interessen betraut hat, sei mit einem Arzt, "den ich schon lange nicht mehr gesehen habe", in seinem Zimmer aufgetaucht. Sie hätten ihm ungerührt mitgeteilt, dass er entlassen sei und das Haus bis 15 Uhr mit all seinen Habseligkeiten zu verlassen habe.
"Ich habe keine Papiere, keinen Ausweis, kein einziges Dokument bei mir", sagt Mollath gestern Abend am Telefon, "ich weiß nicht, ob ich mich da nicht vielleicht strafbar mache, wenn ich jetzt so durch die Straßen spaziere." Vielleicht gebe es einen Notdienst bei der Bayreuther Stadtverwaltung für solche Fälle. Schließlich sei er jetzt einige Jahre Bürger dieser Stadt gewesen, wenn auch zwangsweise.
Mollath hätte auch erwartet, dass er Klinikchef Klaus Leipziger zu Gesicht bekommt. Aber der kam nicht persönlich vorbei, um seinen wohl prominentesten Patienten zu verabschieden.
Leipziger berichtet gegenüber unserer Zeitung äußerst nüchtern über die Freilassung. Gegen Mittag sei ein Fax von der Nürnberger Justiz in seinem Büro eingegangen, das die unverzügliche Entlassung anordnete. "Wir haben uns erst einmal versichert, dass diese Mitteilung auch authentisch ist", erzählt Leipziger.
Das war dringend geboten. Vor einiger Zeit hatte ein Unbekannter mit Mollath einen üblen Scherz getrieben und eine gefälschte Gerichtsentscheidung nach Bayreuth gesandt. [s. Bericht im Blog von Ursula Prem] Ein Klinikarzt hatte Mollath dann ohne Prüfung des vermeintlichen Dokuments tatsächlich mitgeteilt, dass er gehen könne. Der Irrtum klärte sich erst danach auf. Diesmal war die Klinik gründlicher.
Man habe, so Leipziger, erst nach der Echtheitsprüfung des Bescheids dem Patienten eröffnet, dass er die forensische Abteilung der Bayreuther Klinik verlassen müsse, und zwar bis 15 Uhr. "Herr Mollath hat dann um etwas mehr Zeit gebeten", fährt der Klinikchef fort, "die hat er auch bekommen." Der Nürnberger hat in seinem Zimmer umfangreiche Akten untergebracht. Die mussten erst zusammengepackt werden. Gegen 17.30 Uhr war es dann so weit.
Leipziger versichert, man habe Mollath, wie in solchen Fällen üblich, sozialpädagogische Hilfe angeboten. Da geht es darum, dem Entlassenen mit einem kleineren Geldbetrag die ersten Schritte in Freiheit zu erleichtern. Hat er ein Dach über dem Kopf? Braucht er Hilfe bei Behördengängen? Um so etwas gehe es dabei.
Ob sein berühmtester Patient eine solche Unterstützung in Anspruch nehmen wollte oder nicht, will der Arzt nicht sagen. Seine Schweigepflicht verbiete ihm das. Mollath aber schimpft.
Rein gar nichts habe man ihm angeboten. Man habe ihn einfach nach draußen geschickt. "Fast acht Jahre haben die mich hier gehalten, und dann auch noch so was." Für Gustl Mollath ist das der Gipfel der Respektlosigkeit. Wo er seine erste Nacht in Freiheit verbringt, weiß er nach eigenen Angaben noch nicht. "Vielleicht sollte ich beim Bayreuther Bürgermeister nach einer Obdachlosenunterkunft fragen", sagt er, ohne dass man sicher sagen könnte, es handle sich dabei um einen Witz.
In der Vergangenheit haben ihm Unterstützer wie Gerhard Dörner aus Nürnberg schon ein Domizil angeboten. Wo Gustl Mollath jetzt die ersten Tage in Freiheit tatsächlich verbringt, ist allerdings offen. Ein Obdachlosenheim aber bleibt ihm wohl erspart. Robert Lindner hat seinem Freund auch Arbeit in seinem Betrieb angeboten.
In Unterstützerkreisen erinnert man sich in diesen Stunden an Gustl Mollaths Konzept, das er schon vor Jahren in festem Glauben an seine Sache entworfen hat: 1. Öffentlichkeit, 2. Wiederaufnahme, 3. Rehabilitierung, 4. Entschädigung für erlittenes Unrecht.
Menschen, die ihn seit Jahren kennen und lange Zeit an seinem Schicksal teilgenommen haben, sind immer wieder erstaunt, mit welcher Konsequenz Gustl Mollath auch hier vorgegangen ist. "Den zweiten Schritt hat er jetzt erreicht", sagt einer von ihnen nicht ohne Respekt in der Stimme.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur sehr wenige Artikel von Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird auch dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
Inge Aures, Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD, spricht von einem Versagen der Justiz- und Finanzbehörden. "Es sind haarsträubende Fehler passiert, die dazu geführt haben, dass ein Bürger seit Jahren in der Psychiatrie sitzt", betonte sie. Der Ausschuss habe gravierende Versäumnisse bayerischer Dienststellen zutage gefördert. "Die Finanzbehörden haben zunächst gar nicht ermittelt, die Staatsanwaltschaft hat immer nur einseitig ermittelt und das Justizministerium hat vertuscht." Die SPD-Politikerin wies darauf hin, dass aufgrund der rund zehn Jahre alten Angaben Mollaths heute bereits mehr als 20 Steuerstrafverfahren laufen.
Auch SPD-Spitzenkandidat Christian Ude äußerte "große Zweifel an der Korrektheit des Handelns". Die Zahl der Ungereimtheiten sei im Fall Mollath "beklemmend groß". Es plädierte für eine möglichst schnelle Überprüfung.
Das Verhalten von Justizministerin Beate Merk (CSU) nannte Ude "wirklich merkwürdig" und "schlichtweg peinlich". Erst habe die Politikerin monatelang jede Kritik an dem Verfahren gegen Mollath zurückgewiesen, nun spreche sie von einem Schaden und von Vertrauensverlust für die Justiz (...). [s. Verfassungsgericht macht Merk Beine: Bayerns Justizministerin muss im Mollath-Verfahren schon wieder angetrieben werden]
Von einem groben Versagen Merks ist auch Florian Streibl (FW), Vize-Chef des Ausschusses, überzeugt: "Seit 2004 war sie mehrmals mit der Causa Mollath befasst und mein Fazit lautet: Kein Gehör, kein Erfolg und keine Gnade." Gustl Mollath sei sehr früh der Stempel "Spinner" aufgedrückt worden, und den habe er nicht mehr losbekommen. [s. den bemerkenswerten BR-quer-Beitrag zur Bayerischen Justizministerin]
Streibl kritisierte auch die Bearbeitung des Wiederaufnahmeantrages der Regensburger Staatsanwaltschaft, von dem mehrere Versionen existieren. Ältere Fassungen belegten detailreich ein rechtsstaatliches Versagen der Justiz im Mollath-Verfahren, in der dann eingereichten sei davon nicht mehr die Rede. Wie berichtet, hatte das Nürnbergs Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich nach Auskunft des Justizministerium so gewollt. [s. Die "Ausschmückung" im Mollath-Urteil: Wie aus einer schweren "Rechtsbeugung" eine harmlosere "unrichtige Rechtsanwendung" wurde]
Der Abgeordnete Martin Runge, Vertreter der Grünen im Untersuchungsausschuss, hat bereits eine umfangreiche Bilanz der Arbeit in dem Gremium verfasst. Sie trägt den Titel "Vertuschen, wegsperren, lügen und betrügen — was im CSU-Staat so alles möglich ist". [s. die Veranstaltungsreihe gleichen Namens mit Dr. Schlötterer (CSU)]
Vor allem mit der Justizministerin geht Runge scharf ins Gericht, aber auch mit Spitzenbeamten aus Justiz und Finanzverwaltung. Deren Verhalten sei "bis zuletzt einseitig auf Verteidigung von Misslichkeiten und Fehlern gerichtet" gewesen. Viel zu oft habe man Unwahrheiten entdeckt. Die Arbeit im Untersuchungsausschuss hat laut Runge "massive Rechtsfehler im Strafverfahren und in der Entscheidung gegen Gustl Mollath" offenkundig gemacht.
Völlig anders bewertet das Florian Herrmann (CSU), der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses. Nach Medienberichten bereitet er einen etwa 150 Seiten umfassenden Abschlussbericht vor. Laut Martin Runge von den Grünen "wird es mit großer Wahrscheinlichkeit einen Minderheitenbericht" der Oppositionsparteien geben. Herrmann hält, so die Berichte, die Behandlung von Mollaths Anzeigen für "gut nachvollziehbar" und "vertretbar". Lediglich zu dem Urteil des Nürnberger Landgerichts, das 2006 die Unterbringung des Nürnbergers in der Psychiatrie anordnete, meldet der CSU-Mann Zweifel an. "Möglicherweise" sei da etwas "falsch gelaufen". Dieses Urteil sei aber nicht Untersuchungsgegenstand des Ausschusses gewesen.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur sehr wenige Artikel von Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird auch dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
Denn die Möglichkeit, auf die Dauer der Unterbringung Mollaths einzugehen, gibt es seit Jahren, zum Beispiel im Untersuchungssausschuss des bayerischen Landtags, genauso bei den zahllosen juristischen Verfahren an verschiedenen Gerichtsstandorten im Freistaat, die sich mit der Angelegenheit derzeit beschäftigen.
Jetzt wird das Ministerium mit Beate Merk (...) an der Spitze wieder einmal genötigt, einen Schritt zu tun. Das ist nicht das erste Mal in der Causa Mollath. Merk verharrt in dieser Sache von jeher in einer Dauer-Starre, die sich nur etwas löst, wenn es gar nicht mehr anders geht.
Bereits vor eineinhalb Jahren berichteten die Nürnberger Nachrichten von der Verfassungsbeschwerde, die der Freiburger Anwalt Michael Kleine-Cosack für seinen Mandanten Gustl Mollath eingereicht hatte. Sie richtet sich gegen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Bamberg und des Landgerichts Bayreuth. Diese Instanzen beharrten 2011 darauf, dass der Nürnberger eingesperrt bleiben muss, weil er das paranoide Gedankensystem verbunden mit einem allgemeingefährlichen Wahn entwickelt habe, Opfer eines Bankensystems zu sein.
Kleine-Cosack hatte bereits in seiner Beschwerde "Zweifel an Sachkunde und Neutralität" von Gutachtern formuliert. Er kritisiert dort deren Aussage, nach der es gar nicht wichtig sei, ob tatsächlich ein Schwarzgeld-Wahn bei Mollath vorliege. Und er schreibt dem bayerischen Justizministerium ins Stammbuch: "Von Staatsseite wurde dies bezeichnenderweise nie überprüft."
Zu diesem Zeitpunkt, also Anfang 2012, lag noch nicht einmal der interne Revisionsbericht der HypoVereinsbank vor, der Mollaths Angaben dann im Kern bestätigte. Der wurde erst im November 2012 öffentlich. Schon ein Jahr zuvor hatte das Geldinstitut NN-Recherchen bestätigt, dass es Mollaths Anzeigen von Anfang an sehr ernst nahm und Konsequenzen aus seinen Vorwürfen zog. Dessen Anwalt Kleine-Cosack stellte schon in seiner Beschwerde fest: Die Gerichte hätten nicht erkannt, dass sein Mandant allein für die Verantwortlichen der Bank und deren Schwarzgeld-Kunden "gefährlich" war, nicht aber für andere Personen. Eine Unterbringung in der Psychiatrie könne dies nicht rechtfertigen. Gleiches gelte für die Körperverletzung von Mollaths damaliger Ehefrau und die Beschädigung von Autos. Diese Taten — ihr Hergang ist aus heutiger Sicht umstrittener denn je — dürften nicht den "lebensvernichtenden Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person" zur Folge haben, schrieb der Jurist damals.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist nun aktiv geworden, weil Michael Kleine-Cosack in enger Abstimmung mit Gustl Mollaths Anwalt Gerhard Strate Mitte Mai mit einem umfangreichen Schriftsatz nachlegte. Darin werden unter anderem die beiden Wiederaufnahmeanträge zur Sprache gebracht, die seit Monaten beim Regensburger Landgericht liegen. Beate Merks Haus will Karlsruhe nun "schnell und umsichtig" Mitteilung machen.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur sehr wenige Artikel von Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird auch dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
In seinem Drama "Geschlossene Gesellschaft" beschreibt Jean-Paul Sartre die Hölle einer Gruppe von Menschen, die sich ihre eigene Schuld nicht offenbaren können. Einer solchen Gruppe gleichen derzeit die verschiedenen bayerischen Justizstellen, die mit dem Fall Gustl Mollath befasst sind. Allerdings: Eine Hölle ist das wohl allein für den 56-jährigen Nürnberger.
Gutachter verweisen auf das Urteil, das ihn vor sieben Jahren in die Anstalt brachte, die Justiz wiederum zeigt zurück auf die Psychiatrie-Experten. Ein Staatsanwalt entdeckt in dem Verfahren schwerste Verstöße gegen elementare Rechtsgrundsätze, die dann kleingeschrieben werden. Eine Auseinandersetzung mit den detailliert geschilderten Vorwürfen gibt es nicht.
Das Regensburger Landgericht, das über zwei inhaltlich gewichtige Wiederaufnahmeanträge zu entscheiden hat, sieht sich wegen der angeblichen "Komplexität" des Falles seit Monaten nicht in der Lage, zu einem Urteil zu kommen. Das ist bis heute so.
Dabei hatte selbst der Leiter der Regensburger Staatsanwaltschaft — wahrlich kein Jurastudent mehr — mit einer schnellen Entscheidung gerechnet und im Februar befürchtet, seine Behörde könnte dann alt aussehen. Das wäre seiner Ansicht nach der Fall gewesen, wenn die Richter entschieden hätten, bevor die Staatsanwaltschaft einen eigenen Wideraufnahmeantrag stellte.
Das Ganze ist ein skandalöses Lavieren. Man hat den Eindruck, keiner der Beteiligten will als Erster aus dem Kreis heraustreten, in dem sich bisher alle Justiz-Offiziellen drehen. Vielleicht weist das Bundesverfassungsgericht nun einen Weg aus diesem fatalen Zirkel.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur sehr wenige Artikel von Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird auch dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
In dieser Fassung werden in dem Urteil, das den Nürnberger in die Psychiatrie brachte, schwerste Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundprinzipien festgestellt. Dem damaligen Vorsitzenden Richter Otto Brixner wird "eindeutig" eine "vorsätzliche Rechtsbeugung" bescheinigt. Das ist ein Verbrechenstatbestand. Dazu werden zahlreiche Belege aufgezählt.
Der dann beim Regensburger Landgericht tatsächlich eingereichte
Antrag stellt genau das Gegenteil fest, "Ein vorsätzlich
begangener Rechtsbruch in Form der Rechtsbeugung liegt nicht
vor", heißt
es da. Zwischen diesen beiden Extrem-Positionen ein und derselben
Justizbehörde liegen nur drei Monate. Autor beider Fassungen
ist der Regensburger Oberstaatsanwalt Wolfhard Meindl.
[s. a. Wiederaufnahmeantrag
"light" von M. Kasperowitsch]
In der ersten Version setzt sich der hochgestellte Jurist unter anderem intensiv mit den Taten auseinander, die Mollath damals vorgeworfen wurden, insbesondere den angeblichen Reifenstechereien. Diese hatten eine besondere Bedeutung für seine Unterbringung in der Psychiatrie, weil sie als Ausdruck seiner Gefährlichkeit für die Allgemeinheit galten. Die Mollath vorgeworfene Gewalt gegen seine damalige Ehefrau allein hätte dazu nicht gereicht, "weil es sich dabei um Taten im persönlichen Nahbereich während der Trennungsphase gehandelt hat", heißt es.
Die Aussagen im ersten Papier der Regensburger Justiz beim Thema Reifenstecherei sind vernichtend. Die Schilderungen im Urteil von 2006 dazu "stellen nichts anderes dar als die bewusst wahrheitswidrige Ausschmückung des Sachverhalts". Ziel "der Unwahrheiten konnte es nur sein, die Voraussetzungen der Unterbringung ausreichend und überzeugend begründen zu können." Diese "nicht begründbare Ausschmückung" sei auch deshalb fatal, weil alle folgenden Sachverständigen sich bei Gefährlichkeitsprognosen darauf stützten.
Umstände einem Angeklagten anzulasten, die "bar jeder Beweisführung behauptet werden", bedeute aber einen eklatanten Verstoß gegen den Grundsatz der Unschuldsvermutung. Der Staatsanwalt zitiert in diesem Zusammenhang sogar die Europäische Menschenrechtskonvention.
Der Beamte setzt sich ferner mit der Einschätzung Gustl Mollaths in psychiatrischen Gutachten als "wirre" Person auseinander. Sein Fazit: Bei der Lektüre von Mollaths Ausführungen ergebe sich keineswegs, dass diese wirr seien, "auch wenn ein Bezug zum Verfahren schwer herstellbar ist". Sobald jedoch negative Schlüsse für einen Angeklagten daraus gezogen werden, müssten diese in die Verhandlung eingebracht werden, "damit nicht im Nachhinein die pauschalen Schlüsse ungeprüft in die Urteilsfindung zum Nachteil des Angeklagten einfließen". Auch in diesem Punkt finde sich dann tatsächlich die Einschätzung "wirr" in allen psychiatrischen Gutachten der Folgezeit.
Die Frage ist, warum von all dem im März bei Gericht tatsächlich vorgelegten Wiederaufnahmeantrag [s. WA-Antrag der Staatsanwaltschaft] kaum mehr die Rede ist. Das Ministerium schiebt den Schwarzen Peter dem Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich zu.
Die erste Fassung sei ihm vorgelegt, "von diesem nicht gebilligt und auch nicht an das Ministerium weitergeleitet" worden, heißt es auf Anfrage der Nürnberger Nachrichten. Das Ministerium und damit Justizministerin Beate Merk (...) hätten überhaupt erst Anfang Mai davon erfahren. Ob die Ministerin nun weitere Schlüsse aus diesen Vorgängen zieht, hänge von der Entscheidung des Landgerichts Regensburg im Wiederaufnahmeverfahren ab. Wann diese wiederum kommt, ist völlig offen.
Der Sprecher der Nürnberger Justiz, Michael Hammer, bestätigte gegenüber den NN, dass sich Nerlich "im Rahmen der ihm obliegenden Fachaufsicht selbstverständlich zu den Entwürfen geäußert hat". Soweit Änderungen erfolgten, sei dies aber allein durch die Staatsanwaltschaft Regensburg geschehen. Und diese, so betont Hammer, habe eben am Ende nur "unrichtige Rechtsanwendungen" festgestellt, die nicht unbedingt den Tatbestand Rechtsbeugung erfüllten. Als Entwurf ist das erste Papier aber an keiner Stelle gekennzeichnet. Der Justizsprecher wartet nun ebenfalls auf die Regensburger Gerichtsentscheidung. Erst dann könne auch überlegt werden, ob in dem Mollath-Verfahren "etwaige Rechtsverstöße durch die Staatsanwaltschaft zu verhindern gewesen wären".
Anfragen an die Staatsanwaltschaft Regensburg direkt sind in dieser Angelegenheit nicht möglich. Hasso Nerlich hat die Pressearbeit in Sachen Mollath an sich gezogen.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur sehr wenige Artikel von Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird auch dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
Die Waage ist kein schlechtes Symbol für Gerechtigkeit. Justitia hält sie empfindsam in ihrer Hand. Das Entscheidende aber ist, wer die verwendeten Gewichte eicht. In Fall Mollath herrscht in dieser Frage ein unerträgliches Chaos, das jedes Rechtsempfinden verletzt.
Ein hoch qualifizierter Staatsanwalt reißt das sieben Jahre alte Mollath-Urteil
nach allen Regeln seiner juristischen Kunst in Stücke. Er beschreibt
detailliert und begründet schwerste Verstöße gegen elementare
Rechte eines Angeklagten. Und drei Monate später werden in einer
neuen Version daraus mehr oder weniger juristische Mäkeleien,
von denen niemand so recht weiß, ob sie eine Wiederaufnahme des
Verfahrens noch begründen können.
[s. WA-Antrag
der Staatsanwaltschaft]
Als Erklärung für diesen wundersamen Wandel gibt das Justizministerium unter Führung von Beate Merk (...), der obersten Dienstherrin der bayerischen Staatsanwälte, unbekümmert an, der Nürnberger Generalstaatsanwalt habe die erste Fassung halt nicht gebilligt. Da könne man leider nichts machen.
Nun ist Merk ebenso wenig alleroberste Staatsanwältin im Freistaat wie ein Generalstaatsanwalt in einem Rechtsstaat willkürlicher Eichmeister an der Waage der Gerechtigkeit ist, aber sie hat Möglichkeiten. Die hat sie auch schon genutzt, als sie im vergangenen Jahr den "General" strikt anwies, einen Wiederaufnahmeantrag ausarbeiten zu lassen. Das wies die Staatsanwaltschaft jahrelang empört von sich. Jetzt gibt es zwei Fassungen eines Autors, die sich stark widersprechen.
Entweder der Verfasser aus der Staatsanwaltschaft hat zunächst völlig abwegige
Schlüsse aus den ihm bekannten Unterlagen gezogen. Oder er handelte
später gegen seine juristische Expertise. Beides böte dringend
Anlass, die Sache endlich ins Lot zu bringen.
[s. a. Wiederaufnahmeantrag
"light" von M. Kasperowitsch]
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur sehr wenige Artikel von Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird auch dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
Er achte die Unabhängigkeit der Justiz sehr, betonte Seehofer nach einer CSU-Vorstandssitzung in München. Er vertrete aber als Ministerpräsident auch die Interessen der Bürger, "und die Bevölkerung sagt: Geht das nicht ein Stück schneller?"
Seit Februar beziehungsweise März liegen in dem Verfahren beim Regensburger Landgericht zwei Wiederaufnahmeanträge. Einen hat Gerhard Strate, der Verteidiger Gustl Mollaths, gestellt, den anderen die Regensburger Staatsanwaltschaft. Wann das Gericht darüber entscheidet, ist völlig unklar. Wird den Anträgen stattgegeben, wird damit das heute höchst umstrittene Urteil aufgehoben, das den Nürnberger vor sieben Jahren in die Psychiatrie brachte. Mollath gilt dann zunächst als unschuldig. Sein Fall wird aber neu verhandelt.
Schon Ende vergangenen Jahres hatte Regierungschef Horst Seehofer mit einer ähnlichen Bemerkung in dieser Angelegenheit, die viele Menschen bewegt, höhere Betriebsamkeit ausgelöst. Damals meinte er auf einem der Höhepunkte der öffentlichen Diskussion, man solle sich das gesamte Mollath-Verfahren vielleicht doch noch einmal etwas gründlicher anschauen.
Justizministerin Beate Merk hatte sich daraufhin für eine neue Begutachtung des Mannes ausgesprochen. Die Politikerin hat bisher in der Causa eine eher unglückliche Figur gemacht. Das gilt auch für ihren Auftritt am vergangenen Freitag vor dem Mollath-Untersuchungsausschuss im Landtag. Dort ist am Rande bekanntgeworden, dass es früher eine wesentlich deutlichere Fassung des Wiederaufnahmeantrags der Staatsanwaltschaft gab (...). [s. Wiederaufnahmeantrag "light" von M. Kasperowitsch] Merk ist oberste Dienstherrin dieser Behörde.
Unterdessen hätte ein übler und obendrein strafbarer Scherz beinahe dazu geführt, dass der heute 56-jährige Gustl Mollath aus der Bayreuther Klinik entlassen wird. Ein Arzt hatte im letzten Moment bemerkt, dass ein bei ihm eingegangener Gerichtsbeschluss dreist gefälscht war.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur sehr wenige Artikel von Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird auch dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Das wichtige Schriftstück hat einen merkwürdigen Wandel erlebt. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gegen Gustl Mollath, den die Regensburger Staatsanwaltschaft im März gestellt hat, enthält schon bemerkenswerte Begründungen. Eine Vorläufer-Fassung aber ist geradezu vernichtend für das Nürnberger Urteil, das den nun 56-jährigen Mollath 2006 bis heute in die Psychiatrie brachte. Diese Fassung spricht klar von einem "Vorsatz der Rechtsbeugung". Es gibt Hinweise, dass Nürnbergs Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich als Chef den Inhalt des Antrags stark beeinflusst hat.
Diese Vorgänge sind im Mollath-Untersuchungsausschuss bekannt geworden,
vor dem jetzt Justizinisterin Merk (...) als Zeugin gehört wurde.
Sie habe erst handeln können, betonte Merk, als sie die rechtliche
Möglichkeit dazu hatte – nach einem Bericht der Nürnberger Nachrichten
im November letzten Jahres. Der machte erstmals den Anruf des
Nürnberger Mollath-Richters Otto Brixner bei der Finanzbehörde
bekannt, die daraufhin die Bearbeitung von Mollath Anzeigen
wegen illegaler Geldgeschäfte gestoppt hatte.
[s. Artikel von Michael Kasperowitsch:
Ein
Anruf bei Finanzbehörden stoppte brisanten Vorgang]
Doch der Nürnberger Generalstaatsanwalt trat offenbar stark auf die Bremse. "Er wollte zunächst einen solchen Antrag nur prüfen", sagte die Justizministerin, "da habe ich die Weisung gegeben, den Antrag zu stellen." Die unserer Zeitung vorliegende Fassung des Wiederaufnahme-Antrags aus Regensburg vom Dezember 2012 ist eine bestürzende Bewertung der Nürnberger Verhandlung 2006 gegen Mollath. Das Gericht habe sich "elemantare Verstöße gegen die Rechtspflege" zuschulden kommen lassen uns sich "bewusst und in schwerer Weise vom Gesetz entfernt".
Das "eklatant prozessordnungswidrige Verhalten" Brixners sei, so heißt es weiter, nicht nur "ein Indiz der Voreingenommenheit gegenüber Herrn Mollath, sondern stellt sich als eigenständiges rechsbeugendes Verhalten dar". Es begründe einen "selbständigen Wiederaufnahmegrund". So heißt es etwa zu den Reifenstechereien, die Mollath neben der Gewalt gegen seine Frau als besonders gemeingefährliche Taten angelastet worden waren, in diesem ersten Wiederaufnahme-Antrag: "Angesichts der Beweislage war eine Verurteilung nicht begründbar und bar jeder tragfähigen Beweise. Letztlich wurde kein Motiv festgestellt, niemand hat den Täter gesehen, Spuren gab es keine, andere Täter mit gleicher Motivlage sind vorhanden."
Dem Revisionsgericht, also dem Bundesgerichtshof, der das Urteil gegen Mollath später bestätigte, sei eine Aufhebung der Nürnberger Gerichtsentscheidung von 2006 unter den gegebenen Umständen gar nicht möglich gewesen. "Das Ziel, durch Manipulationen der Urteilsfeststellung ein 'revisionssicheres' Urteil zu erreichen, stellt einen besonders gravierenden Gesetzesvestoß dar, da dem Verurteilten jede Möglichket entzogen wird, das Urteil erfolgreich anzufechten", stellte die Regensburger Staatsanwaltschaft fest.
Die Abgeordneten Martin Runge (...) und Inge Aures (...) haben im Ausschuss darauf hingewiesen, dass der dann tatsächlich beim Regensburger Landgericht eingereichte Antrag im Vergleich zur ersten Fassung "kleingeschrieben" und "eingedampft" worden sei. Plötzlich sei nur noch von "Nichtbeachtung prozessualer Normen" oder einer "Fülle von Rechtsfehlern" die Rede.
Dass es sich bei der ersten Form des Regensburger Antrags nicht um einen "Entwurf" oder eine "Stoffsammlung" handelt, wie die Ministerin andeutete, belegt ein Brief — er liegt unserer Zeitung vor — aus Regensburg an Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich. "Am 06.02.2013 wurde erneut ein kompletter Wiederaufnahmeantrag mit dem Dienstwagen übersandt." Dies belegt, dass offensichtlich mehrere Versionen kursierten.
Es dürfe, so heißt es darin weiter, in der Öffentlichkeit auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass die Justiz mit der Erledigung ihres Auftrags in Verzug geraten ist. Man müsse verhindern, dass die Staatsanwaltschaft nur passiver Zuschauer in diesem Verfahren ist, und "dass ein 'rechtswidriger Zustand', der mit einer fortdauernden Freiheitsentziehung" Gustl Mollaths verbunden ist, nicht rechtzeitig beendet werde.
Wenn das Gericht dem Wiederaufnahmeantrag von Mollath-Anwalt Gerhard Strate stattgebe, "dann wird in den Medien unsere Untätigkeit mit den sicher unberechtigten, aber unausrottbaren Vorwürfen unlauterer Motive (Vertuschung) garniert werden", heißt es in dem Brief von Ende Februar an Nerlich. Auf Nachfrage von SPD- und Grünen-Mitgliedern des Untersuchungsausschusses beteuerte Justizministerin Beate Merk: "Warum der Antrag am Ende reduziert gestaltet wurde, weiß ich nicht." Zuvor hatte sie allerdings erklärt, dass es in ihrem Ministerium eine etwa einstündige Besprechung zu einer der Versionen des Antrages aus Regensburg gegeben hatte. Sie war selbst anwesend.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur sehr wenige Artikel von Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird auch dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Die sogenannte Strafvollstreckungskammer des Bayreuther Landgerichts urteilt in diesem wie in ähnlich gelagerten Fällen alljährlich, ob eine Unterbringung weiter notwendig ist. Bei Gustl Mollath hat sie das gestern rundweg bejaht.
Die Kammer sei an das immer noch rechtskräftige Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth von 2006 gebunden, teilte der Präsident des Bayreuther Landgerichts zur Begründung mit. Es könne nur durch ein Wiederaufnahmeverfahren korrigiert werden. "Umstände, welche die gestellten Anträge bereits jetzt als mit Sicherheit erfolgreich erscheinen lassen würden, vermochte die Kammer nicht zu erkennen", heißt es weiter.
Die Bayreuther Justiz lässt auch keinen Zweifel daran, dass sie von Gustl Mollath weitere Straftaten erwartet, wenn er nicht eingesperrt bleibt. Sie stützt sich dabei ausdrücklich auf das Ausgangsgutachten von Dr. Klaus Leipziger, dem Chef der Klinik für Forensische Psychiatrie, in der Mollath einsitzt. Der Untergebrachte verweigere nach wie vor jegliche "therapeutische Einflussnahme".
Angesichts der von Mollath ausgehenden Gefahr sei die Entscheidung, so das Gericht, auch verhältnismäßig. Die körperliche Unversehrtheit und das Leben eines Menschen seien eines der höchsten Rechtsgüter überhaupt. Mollath waren die Misshandlung seiner Frau und gefährliche Reifenstechereien vorgeworfen worden. Für die Taten wurde er 2006 wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, er kam dafür aber in die Psychiatrie. Dieses Urteil ist heute äußerst umstritten.
Der Gutachter, der Gustl Mollath zuletzt untersucht hatte, kann nach Angaben des Bayreuther Landgerichtes auch keine ergänzende Stellungnahme abgeben, weil er "wellenartig in übelster Weise als Verbrecher" beschimpft werde. Dies betrachte dieser Experte als schweren Angriff auf seine Gesundheit.
Unterdessen will die früherer Ehe-Frau von Gustl Mollath gegenüber unserer Zeitung nach wie vor keine Stellungnahme abgeben. Sie hatte sich kürzlich im Nordbayerischen Kurier erstmals zu den über zehn Jahre alten Vorfällen geäußert (...). [siehe den vom NK übernommenn Artikel in der NZ]
Sie schildert ihren Ex dort als völlig überforderten und am Ende gescheiterten Geschäftsmann, dem sie laufend mit "Darlehen" unter die Arme greifen musste. Die Ex-Ehefrau bestreitet nachdrücklich, ihm im Zusammenhang mit seinen Vorwürfen zu ihren Bankgeschäften 500.000 Euro angeboten zu haben, "wenn er die Klappe hält". Entsprechende Angaben tauchen allerdings schon in Briefen zwischen den Eheleuten aus dem Jahre 2002 auf.
Vehement bestreitet die ehemalige Ehefrau, dass Geldverschiebungen bei der HypoVereinsbank, bei der sie beschäftigt war, vor der Trennung des Paares im Mai 2002 ein Problem gewesen seien. [s. a. die Beurteilung der Person Petra M. im Revisionsbericht der HypoVereinsbank] Das Thema Schwarzgeld habe er erst danach aufs Tapet gebracht. Auch dem widersprechen Briefe, die unserer Redaktion vorliegen. Sie stammen aus dem Jahre 2000.
Hart ins Gericht geht die Nürnbergerin ferner mit Edward Braun, jenem Zahnarzt, der 2011 bestätigte, die früherer Frau Mollath habe ihm gegenüber angekündigt, sie werde ihren Mann fertigmachen. Das stimme alles nicht. Braun bleibt allerdings bei seiner Darstellung. Vor dem Mollath-Untersuchungsausschuss im Landtag hat er diese am vergangenen Dienstag erst wieder mit Belegen bekräftigt.
[Hervorhebungen der gustl-for-help-Redaktion]
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(...) Der zehn Jahre alte Rosenkrieg der früheren Nürnberger Eheleute Mollath, der in den vergangenen Monaten mit vielen Details öffentlich wurde, ist in den Fluren des Landtags ganz präsent. Dutzende von Journalisten und noch mehr Besucher sind gekommen, um den Auftritt von Gustl Mollath vor jenem Untersuchungsausschuss zu erleben, der nach ihm benannt ist. Beherrschendes Thema ist aber erst einmal seine Ex-Frau.
All die Jahre hatte sie zu der Auseinandersetzung beharrlich geschwiegen, Medienanfragen immer wieder strikt abgelehnt, Gesprächsangebote der Justiz nicht angenommen. Und gerade an diesem Tag erscheint der Nordbayerische Kurier mit einer Doppelseite, auf der sie von ihrem Mann ein bitterböses Bild zeichnet. [siehe den vom NK übernommenn Artikel in der NZ]
Sie schildert ihn dort als notorisch gewalttätigen und kontrollsüchtigen Gatten, einen hoch verschuldeten Pleitier, dem sie immer wieder mit hohen Geldbeträgen habe aushelfen müssen. Niemand, sagt sie, habe ihm seinen gesamten Besitz auf mysteriöse Weise abgenommen. Den habe er selbst für 3000 Euro verkauft, inklusive eines Bildes seiner Mutter. Gustl Mollath hat immer wieder beklagt, nicht einmal das sei ihm geblieben. Ihre angeblichen Schwarzgeldschiebereien als ehemalige Mitarbeiterin der HypoVereinsbank habe er erst ins Spiel gebracht, als sie ihn bereits verlassen habe, sozusagen als Rache.
Mollath kennt diese Veröffentlichungen, als er mittags den Landtag betritt. Wenn sie als gezielte Provokation gedacht waren, die Verunsicherung erzeugen sollen, haben sie ihre Wirkung verfehlt, soweit das erkennbar ist. Denn Mollath betritt in aller Ruhe den großen Sitzungssaal im Landtagsgebäude. Unter den Besuchern brandet Beifall auf, den sich der Ausschussvorsitzende Florian Herrmann (CSU) verbittet: "Wir sind hier nicht in einer Talk-Show."
Kameras sind auf Mollath gerichtet, als er vor dem Podium, auf dem die Ausschussmitglieder sitzen, einen freundlichen Diener macht. Seine Anwälte sitzen links und rechts neben ihm. Den Angaben zu seiner Person fügt er hinzu: "Zurzeit gegen meinen Willen in Bayreuth untergebracht." (...)
Es geschieht das, was Beobachter seit vielen Jahren ratlos macht. Mollath beschreibt ein gänzlich anderes Bild der Ereignisse als seine Frau und andere. Gewalt? Dazu sei er nicht in der Lage. Vor allem zum Schutz seiner Frau, aber auch zu seinem eigenen, und um "Schaden von der Gesellschaft" abzuwenden, habe er versucht, seine damalige Frau von ihren seiner Ansicht nach höchst gefährlichen Geldgeschäften für vermögende Kunden abzubringen. "Ich war verpflichtet zu sagen: Das muss aufhören", bekräftigt er. Erst als ihm das nicht gelungen sei, habe er sich zu einer Anzeige durchgerungen.
Nun dient der Untersuchungsausschuss als parlamentarisches Kontrollgremium nicht dazu, das Eheverhältnis der Mollaths unter die Lupe zu nehmen. Er überprüft auch nicht das Nürnberger Urteil, das Mollath 2006 in die Psychiatrie brachte, weil er demnach an einem krankhaften Banken-Wahn leide. Von dem Vorwurf, seiner Frau Gewalt angetan zu haben, wurde er wegen dieser Krankheit, die ein Gutachter feststellte, freigesprochen.
Der Ausschuss beschäftigt sich mit der Frage, ob die Justiz bis hinauf zur Ministerin, ob die Finanzbehörden mit seinen Anzeigen wegen dieser Geldgeschäfte seit 2003 korrekt umgegangen sind. Mittlerweile laufen rund ein Dutzend Steuerverfahren gegen Personen, die im Zusammenhang mit Mollaths Angaben bekannt wurden.
Warum seine Angaben nicht schon damals nicht die geringsten Ermittlungen ausgelöst haben, kann er sich selbst nicht vorstellen. Seine auf viele Leser verstörend wirkenden Erklärungen und Schriftsätze, mit denen er seine Unterlagen garnierte, erklärt er so: "Ich wollte etwas zu meiner Herkunft und den Grundlagen meiner Haltung sagen, als ich merkte, dass mein Geisteszustand infrage gestellt wird." Der Abgeordnete Martin Runge (Grüne) fragt Mollath, warum er für eine Mitteilung ans Finanzministerium damals einen Reiseprospekt benutzte. Mollath erklärt das so: "Ich war damals schon eingesperrt und ich hatte kaum Papier und Bleistift zur Verfügung. Da habe ich den Prospekt als Umschlag benutzt."
Angesprochen auf die oft merkwürdige Form seiner Stellungnahmen sagt er: "Ich stand wegen der Scheidungsauseinandersetzung unter enormer Anspannung. Heute würde ich das mit ruhigerem Blut machen."
Mollath wundert sich auch, warum Prominente wie Günther Beckstein heute abstreiten, jemals etwas mit seinem Fall zu tun gehabt zu haben. Beckstein gehörte zu den vielen Politikern, die in ihrer aktiven Zeit Briefe von Mollath bekommen haben. Im Ausschuss zückte er aus seinem Ordner eine Weihnachtskarte mit der Unterschrift des Ex-Ministerpräsidenten. Da kommt leises Gelächter auf bei den Besuchern.
Nur seine Angaben zu den dubiosen Geldgeschäften haben niemand interessiert, obwohl er schon 2003 Briefe von Bank-Managern vorlegte, in denen Mollath mitgeteilt wird, dass die interne Revision eingeschaltet wurde. Justiz und Finanzbehörden reagierten nicht.
"Hat überhaupt jemand von diesen Behörden mit Ihnen darüber geredet?", will Florian Streibl, der Ausschuss-Vize von den Freien Wählern, wissen. "Das fand bis heute nicht statt", antwortet Mollath, "weder bei Gericht noch sonst wo. Das ist nie erfolgt." Vor Gericht sei er niedergebrüllt worden, sobald er mit der Bank-Geschichte angefangen habe.
Dabei hätte er mehr Details beitragen können. Mollath deutet an, dass noch bisher unbekannte Beweismittel zur Verfügung stehen. Im Laufe des damaligen Streits habe er Papiere zu vertrauenswürdigen Personen nach Paris und in die Schweiz geschickt.
Wohin das ganze Verfahren für ihn führe, wisse er nicht. Sicher ist für ihn keineswegs, dass die Wiederaufnahmeanträge für das alte Verfahren erfolgreich sind, die seit Monaten bei der Justiz in Regensburg bearbeitet werden. Sollten sie scheitern, bittet Mollath um eines: "Ich möchte in ein Gefängnis für Häftlinge mit Sicherungsverwahrung." Die vergangenen sieben Jahre in der Psychiatrie und die Lebensumstände dort seien für ihn unerträglich gewesen.
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(...) Der Ausschussvorsitzende Florian Herrmann (CSU) hat diese Entscheidung in der jüngsten Sitzung des Gremiums bekanntgegeben. Gustl Mollath wird am kommenden Dienstag genug Zeit haben, den Parlamentariern seine Sicht der Dinge darzulegen.
Erstmals wird anschließend auch ein Unterstützer Mollaths als Zeuge gehört, der Zahnarzt Edward Braun. Dieser hatte Justizministerin Beate Merk (CSU) schon 2011 über eine Ankündigung der früheren Ehefrau Mollaths informiert, sie werde ihren Mann "fertigmachen". [s. Eidesstattliche Versicherung Edward Braun] Reagiert hat sie nicht. Die Politikerin ist dann am 14. Juni als Zeugin vor den Ausschuss geladen.
Wie mehrfach berichtet, hatte Mollath 2003 Schwarzgeldgeschäfte seiner damaligen Frau und ihrer Kunden bei der HypoVereinsbank angezeigt [s. Anzeige von Gustl Mollath an GenStA Neumann]. Die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth legte die Anzeige 2004 zu den Akten. Nach heutigem Stand trafen seine Kern-Vorwürfe zu.
Der Chef des Landesamts für Steuern, Roland Jüptner, bestätigte jetzt im Landtag: "Es sind Maßnahmen eingeleitet worden gegen Personen, die in der Anzeige genannt sind." Einzelheiten nannte er unter Verweis auf das Steuergeheimnis nicht. In einer am Montagabend ausgestrahlten ARD-Sendung bestätigte erstmals ein Anleger persönlich, dass ein HypoVereinsbank-Berater seiner Familie seinerzeit aufgezeigt habe, "wie sie Schwarzgeld nicht über schwarze Kanäle, sondern über seine Bank in die Schweiz schaffen kann". Auch diesen Bankberater hatte der Nürnberger in seiner Strafanzeige genannt.
Der frühere Nürnberger Generalstaatsanwalt Klaus Hubmann wies im Ausschuss Schlampereivorwürfe gegen die Justiz zurück. "Dass wegen hoher Arbeitsbelastung die Anzeige zack, zack weggemacht worden ist, das kann ich nicht bestätigen."
Als Mollath 2003 seine Schwarzgeldanzeige erstattete, lief bereits ein Strafverfahren gegen ihn wegen Misshandlung seiner Frau. In der Verhandlung zu dieser Tat hatte Mollath dem Gericht eine 106-seitige Mappe übermittelt. Da dieses Papier auch wirre Passagen enthielt, las der Richter die "Verteidigungsschrift" nicht vollständig durch. Auch Steuerfahndung und Justiz befassten sich damit nicht.
Die Opposition hält ihre Vorwürfe gegen Justiz und Finanzbehörden aufrecht. "Man hätte die 106 Seiten haben können, man hätte sie haben müssen", sagte Grünen-Fraktionschef Martin Runge. "Das ist ein schweres Versäumnis gewesen."
Die SPD-Abgeordnete Inge Aures kritisierte: "Es kann nicht sein, dass Herr Mollath weggesperrt wurde wegen paranoider Wahnvorstellungen über Schwarzgeldgeschäfte, aber dann bestätigen sich seine Vorwürfe weitgehend."
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Muss der normale Mensch die Justiz verstehen? Schlecht wäre das nicht, meint zumindest Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU). "Zu den Voraussetzungen einer lebendigen Demokratie gehört, dass die Tätigkeit der Justiz vom Rechtsbewusstsein der Bürger getragen wird", schreibt sie in einer ministeriellen Verlautbarung. Im Fall Mollath gibt es zwischen dem Rechtsbewusstsein der Bürger und dem Verhalten des bayerischen Justizapparats längst einen tiefen Riss.
Der Nürnberger sitzt seit sieben Jahren in der Psychiatrie, weil er angeblich unter einem für die Allgemeinheit gefährlichen Banken-Wahn leidet. Von einem solchen Wahn kann nicht mehr die Rede sein, ganz unabhängig davon, ob er seiner Frau nun Gewalt angetan und Autoreifen zerstochen hat. Ob er diese Taten begangen hat, ist offen — aber ein Banken-Wahn?
Den gibt es offenkundig nicht. Dazu genügt es, den Wiederaufnahmeantrag der Regensburger Staatsanwaltschaft zu lesen. "Keineswegs wahnbedingt" seien Mollaths Angaben gewesen — so steht es dort ohne Einschränkung. Und die dortigen Juristen stehen nicht im Verdacht, von einem Mollath-Wahn infiziert zu sein.
Konsequenzen werden aber nicht gezogen. Seit bald zwei Jahren weisen Psychiater in ihren Gutachten darauf hin, dass sie schließlich keine Gerichtsurteile sprechen, die Juristen wiederum führen die Feststellungen der Medizin-Experten zur Rechtfertigung ins Feld. Die Haltung der Nürnberger Staatsanwälte und Richter, die seit 2003 mit dem Fall Mollath beschäftigt waren, schwankte vor dem Untersuchungsausschuss im Landtag zwischen überraschend großen Erinnerungslücken und unangebrachter Selbstgefälligkeit, als hätte es zu keinem Zeitpunkt neue Erkenntnisse oder zumindest sehr drängende Fragen gegeben, die nach Antworten verlangen.
Es geht heute längst nicht mehr allein um den höchst umstrittenen Justiz-Fall Mollath, der bundesweit Wellen schlägt. Es geht auch ums Ansehen der bayerischen Justiz samt Ministerin und das Vertrauen der Menschen in diesen Grundpfeiler einer demokratischen Gesellschaft. Dieses Ansehen ist durch eigenes Verschulden gründlich ramponiert. Zu diesem Ergebnis kommt nicht nur Lieschen Müller ohne juristisches Staatsexamen, den Kopf schütteln inzwischen auch renommierte Rechtsexperten.
Gerechtigkeit und Schutz vor Willkür ist das Kerngeschäft der Justiz. Selbstgerechtigkeit und Selbstschutz gegen Kritik wären ganz neue Aufgabenbeschreibungen.
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Die Aktion der Finanzermittler fand (...) bereits am 16. April zeitgleich in Räumen der HypoVereinsbank in München und bei der Bethmann Bank in Frankfurt am Main statt. Das Frankfurter Institut gehörte früher zur Hypo und war 2004 an die niederländische ABN Amro-Gruppe verkauft worden.
Gustl Mollath hatte in seinen Anzeigen aus dem Jahr 2003 wegen angeblicher Schwarzgeld-Verschiebungen bei der HypoVereinsbank auch immer wieder Bethmann genannt. Dort war Mollaths frühere Frau beschäftigt, die er schwer beschuldigt hatte. Seit 2006 sitzt Gustl Mollath wegen eines angeblichen Banken-Wahns in der Psychiatrie.
Bei der Durchsuchung der beiden Banken Mitte April ging es nach Angaben von Insidern darum, neues belastendes Material zu finden, insbesondere Namen weiterer Personen, die in Steuerdelikte verwickelt sein könnten. Bereits im vergangenen Oktober hatten Nürnberger Steuerfahnder einzelne Anleger angeschrieben, die in den Mollath-Unterlagen namentlich auftauchten.
"Die vorliegenden Erkenntnisse waren in mehreren Fällen zutreffend", hieß es damals (wir berichteten). Jetzt sind zum ersten Mal Banken ins Visier der Steuerfahnder geraten. Ob sie fündig wurden, ist noch nicht bekannt.
Die HypoVereinsbank in München wollte sich gegenüber unserer Zeitung nicht zu den Ereignissen äußern. Dagegen bestätigte ein Bethmann-Sprecher die Durchsuchung. "Die Bank wird die Behörden selbstverständlich bestmöglich unterstützen", sagte er und verwies darauf, dass es sich durchweg um Vorgänge aus einer Zeit handele, in der Bethmann noch Teil der HypoVereinsbank-Gruppe war.
Nach Auskunft von Nürnbergs Justizsprecherin Anita Traud gab es in der fraglichen Zeit zwei Durchsuchungsbeschlüsse eines Ermittlungsrichters für München und Frankfurt. Auch die Nürnberger Staatsanwaltschaft sei informiert gewesen.
Erst am 17. Mai, also bereits vier Wochen nach den in Nürnberg richterlich genehmigten Aktivitäten gegen die Banken, hatten Staatsanwälte
und Richter aus Nürnberg vor dem Mollath-Untersuchungsausschuss im Landtag ausgesagt, die vor zehn Jahren mit den Anzeigen Mollaths beschäftigt waren. Sie hatten dabei Vorwürfe zum Teil mit Empörung zurückgewiesen, man sei seinerzeit nicht korrekt mit den Angaben des Nürnbergers umgegangen.
Erst vor eineinhalb Jahren hatte die Nürnberger Staatsanwaltschaft nach einem NN-Bericht Unterlagen bei der HxpoVereinsbank aus dem Jahr 2003 angefordert, welche die Richtigkeit vieler Feststellungen Mollaths bestätigten.
Seit Monaten liegen beim Landgericht Regensburg zwei Anträge, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Nürnberger verlangen. Einer stammt von seinem Anwalt, der andere von der Regensburger Staatsanwaltschaft. Beide listen schwere Fehler im Zusammenhang mit der Verurteilung von Gustl Mollath auf. Eine Entscheidung ist noch nicht in Sicht.
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Anlass für die Ankündigung des Mollath-Anwalts Gerhard Strate aus Hamburg ist eine Entscheidung der Kammer am Regensburger Landgericht, die in dem Fall über zwei Wiederaufnahmeanträge zu entscheiden hat. Gestern hat es die Vorsitzende Richterin abgelehnt, die zwangsweise Unterbringung Mollaths schon jetzt zu unterbrechen, bis über die Anträge endgültig entschieden ist.
Die Richterin schreibt zur Begründung, es "kann derzeit noch keine hinreichend konkrete Einschätzung zu den Erfolgsaussichten der Wiederaufnahmeanträge abgegeben werden". Es sei nicht möglich zu beurteilen, ob die vorgelegten Tatsachen und benannten Beweise "einen solchen Grad innerer Wahrscheinlichkeit haben", dass die Vollstreckung des Nürnberger Urteils aus dem Jahre 2006 bedenklich erscheine. Auch eine "unechte Urkunde" — gemeint ist damit ein gefälschtes Attest, das damals vorgelegt worden war — wertet die Richterin "nicht zwingend als zulässigen Wiederaufnahmegrund". [s. Aktenvermerk des Landgerichts]
Diese Einschätzung löste bei Strate großen Unmut aus. Die Richterin nenne nicht einmal einen Grund für ihre Bewertung des Attests. Und es werde kein Zeitraum mitgeteilt, in dem mit einer Entscheidung zu rechnen ist, "in zwei Wochen, in zwei Monaten oder gar erst am 16. September 2013?". Strate spielt damit auf eine möglicherweise beabsichtigte Verschiebung auf die Zeit nach der Landtagswahl am 15. September an.
Es sei, so Strate, für niemanden — schon gar nicht für Volljuristen — eine schwierige Aufgabe, innerhalb weniger Tage zu erkennen, dass das gegen Mollath gesprochene Urteil ein Fehlurteil war. "Schwierig und zeitraubend ist es allein, mit juristischen Finessen einer klaren Sach- und Rechtslage entgegenarbeiten zu wollen", schreibt der Anwalt in einer Erklärung. Einer der Wiederaufnahmeanträge stammt von ihm, der andere von der Regensburger Staatsanwaltschaft.
Gegen die Weigerung der Richterin in der Oberpfalz, die Strafvollstreckung bei Mollath zu unterbrechen, habe er beim Oberlandesgericht in Nürnberg bereits Beschwerde eingelegt. Sollte die Justiz nicht "zur Selbsthilfe in der Lage sein", werde er alsbald Karlsruhe anrufen. [s. Presseerklärung RA Dr. Strate]
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(...) Mit völligem Unverständnis hat eine Reihe von Vertretern der Nürnberger Justiz im Mollath-Untersuchungsausschuss des Landtags auf Vorhaltungen reagiert, an dem Verfahren gegen den 56-jährigen Nürnberger sei irgendetwas nicht mit rechten Dingen zugegangen. Zu den im Ausschuss unter großem Medieninteresse gehörten Zeugen gehörte auch Otto Brixner, der Gustl Mollath vor sieben Jahren mit seinem Urteil in die Psychiatrie einwies. Er zeigte sich bisweilen empört über die Behandlung des Falles.
Der 69-jährige Pensionär, der 2006 Vorsitzender Richter der Strafkammer am Landgericht Nürnberg-Fürth war, die das heute umstrittene Urteil fällte, schilderte die Angelegenheit als Alltags-Verfahren. Irgendein persönliches Interesse an Mollath selbst oder an anderen Personen, die an dem Verfahren beteiligt sind, wies er weit von sich. "Solche Dinge liefen bei uns hundertfach auf. Gustl Mollath wurde behandelt wie alle anderen."
Schon 2003 habe er eine Beschwerde Mollaths gegen den Beschluss des Nürnberger Amtsgerichts, eine psychiatrische Untersuchung anzuordnen, "in einer Viertelstunde" vom Tisch gehabt. Und zwar, weil sie offenkundig unbegründet war.
Das Verfahren habe er dann drei Jahre später als Folge des ganz normalen Verteilungsplans der Justizbehörde wieder auf seinen Richtertisch bekommen. Den in der Vergangenheit laut gewordenen Verdacht, er oder andere hätten sich manipulativ darum bemüht, den Fall zugeschanzt zu bekommen, bezeichnete er als völlig haltlos und unbegründet.
Auch an seinem Anruf bei den Nürnberger Steuerbehörden, die mit Mollaths Anzeigen wegen angeblicher Steuerhinterziehung bei der HypoVereinsbank beschäftig war, schilderte er als üblichen Vorgang.
Finanzbeamte hatten nach diesem Anruf schriftlich festgehalten, dass die Justiz Mollath als Querulanten und Spinner einstuft. Dann legten sie den Fall zu den Akten. Otto Brixner bestritt im Landtagsausschuss, solche Wörter gebraucht zu haben: "Ich kann nichts dafür, wenn Finanzbeamte ihre Einschätzung des Telefonats so wiedergeben."
Die seit Monaten anhaltende öffentliche Aufregung um den Fall Mollath nannte Brixner "völligen Unsinn". Für ihn persönlich habe das einschneidende persönliche Konsequenzen. Er werde telefonisch und brieflich auf die übelste Weise beschimpft, Fernseh-Teams lauerten ihm wie "Wegelagerer" auf.
Am Ende seiner Aussage vor dem Ausschuss nannte er sehr private Gründe, die unter Umständen dazu geführt haben, "dass ich den Fall nicht ganz so bearbeitet habe, wie man das von mir erwarten kann". Wegen einer schweren Erkrankung seiner Frau habe er über längere Zeit nur zwei, drei Stunden täglich schlafen können. So seien vermutlich auch die "handwerklichen Fehler" in seinem Urteil des Jahres 2006 zustande gekommen.
Vor Brixner hatten andere Justizangehörige ihre Aussage gemacht, darunter auch Verena Fili, heute Richterin und damals Staatsanwältin. Sie hatte vor zehn Jahren Ermittlungen auf Mollaths Anzeige hin abgelehnt. Gehört wurden auch Amtsrichter Armin Eberl und Oberstaatsanwalt Robert Neusinger. Auch sie verwahrten sich gegen alle Vorwürfe zum Verfahren gegen Mollath. Einzelne verwiesen auf Nachfragen von Abgeordneten aber auch mehrfach auf Erinnerungslücken.
Für Vertreter der drei Oppositionsparteien SPD, Grüne und Freie Wähler (FW) offenbart sich "allmählich das Ausmaß an Selbstherrlichkeit, Überlastung und Behördenversagen" wie es der Ausschuss-Vize Florian Streibl von den Freien Wählern ausdrückte. Weder Steuerfahnder noch Staatsanwaltschaft und nicht einmal das Gericht hätten sich hinreichend mit wesentlichen Unterlagen wie etwa den Strafanzeigen von Gustl Mollath beschäftigt.
"Wenn es darum geht, einen Menschen für viele Jahre wegzusperren, dann muss man von einem Richter erwarten können, dass er die Akten gründlich studiert", sagte Martin Runge (Grüne), "das war hier bedauerlicherweise nicht der Fall." Ausschussmitglied Inge Aures (SPD) hat "mit großer Empörung" registriert, dass Mollaths über hundert Seiten umfassende Verteidigungsschrift "bei keiner Behörde entsprechend zur Kenntnis genommen wurde". Die Unterlagen hätten belegt, dass die damalige Staatsanwältin davon gewusst haben muss. "Heute erinnert sie sich an nichts mehr."
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Bei der Justiz in der Oberpfalz liegen seit rund zwei Monaten Wiederaufnahmeanträge von Gerhard Strate, dem prominenten Mollath-Anwalt aus Hamburg, als auch der Regensburger Staatsanwaltschaft (...). Strate war der Vorreiter und hatte die "von gegenseitigem Vertrauen geprägte Kommunikation" mit der Regensburger Behörde gewürdigt. Die beiden Schriftsätze würden sich "wechselseitig ergänzen", betonte er.
Auch die Staatsanwaltschaft habe deshalb gewünscht, beide Begehren miteinander zu verbinden. Dem ist das Regensburger Gericht aber offenbar nicht nachgekommen.
Erst vor zwei Tagen hat Gerhard Strate nach eigenen Angaben zu seiner Überraschung dort von einer Geschäftsstellenbeamtin erfahren, dass die beiden Anträge getrennt gehalten werden sollen. "Die künstliche Aufspaltung zweier der Sache nach zusammengehörender Verfahren verheißt nichts Gutes", heißt es in einem Schreiben des Anwalts, das unserer Zeitung vorliegt. Weitere Details sind darin nicht genannt.
Der Jurist hat dem Gericht aber nun mitgeteilt, dass sich Gustl Mollath den gesamten Inhalt des Wiederaufnahmeantrags der Staatsanwaltschaft "vollen Umfangs zu eigen" macht. Das heißt, er hat ihn noch einmal in seinem Namen gestellt. So soll verhindert werden, dass verschiedene Fakten, die nur in dem einen oder anderen Antrag aufgeführt sind, unter den Tisch fallen können.
Gleichzeitig will Strate mit seinem Vorstoß vom Dienstag bei Gericht erreichen, dass die Vollstreckung des fast sieben Jahre alten Urteils des Langderichts Nürnberg-Fürth aufgehoben wird. Der heute pensionierte Richter von damals, Otto Brixner, ist neben anderen Mitarbeitern der Nürberger Justiz in der kommenden Woche als Zeuge vor den kürzlich eingesetzten Mollath-Untersuchungsausschuss im Landtag geladen.
Zur Begründung der Initiative, Mollath schon vor einer noch offenen Entscheidung über die Anträge nach sieben Jahren aus der Psychiatrie zu entlassen, führt Strate an, dass die Regensburger Staatsanwaltschaft einen "absoluten Wiederaufnahmegrund" geltend gemacht habe. Gemeint ist damit das von den Regensburgern als verfälscht eingestufte ärztliche Attest, mit dem Mollaths damalige Ehefrau eine Körperverletzung bescheinigen ließ, die ihr Mann ihr 2001 angetan haben soll. Die Glaubwürdigkeit der Frau sei dadurch "tiefgreifend erschüttert". Strate weist in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft jetzt erneut darauf hin, dass dieses Attest eine wichtige Rolle bei der Verurteilung Mollaths gespielt hatte.
Außerdem, so der Anwalt in seinem jüngsten Schreiben weiter, sei zu berücksichtigen, dass die Behauptung des Gerichts, unter dem Vorsitz Brixners, Mollath beziehe "fast alle Personen" in seinen angeblichen Wahn mit ein, "falsch und ohne tatsächliche Grundlage" ist. Die Staatsanwaltschaft hatte in ihrem Wiederaufnahmeantrag festgestellt, die Einschätzungen Gustl Mollaths seien "keineswegs wahnbedingt" gewesen.
Johann Piendl, der Sprecher des Landgerichts Regensburg, bestätigte gegenüber den NN den Eingang des neuen Antrags (...). Wann darüber entschieden wird, sei völlig offen. Er deutete aber an, dass dies dauern könne. Schließlich müssten die bereits vorliegenden umfangreichen Anträge gründlich bewertet werden, um sich mit der vorläufigen Freilassung Mollaths schon vor Grundsatzentscheidung beschäftigen zu können.
Die Strafprozessordnung lässt eine Aussetzung der Unterbringung zu, bestätigte Piendl. "Das Gericht kann einen Aufschub sowie eine Unterbrechung der Vollstreckung annordnen", heißt es in den Paragrafen zu Wiederuafnahmeverfahren knapp. Der Gerichtssprecher zitiert aus einer Kommentierung des Gesetzes. Danach müsse der Grad der Wahrscheinlichkeit angemessen hoch sein, so dass die weitere Vollstreckung einer verhängten Strafe als bedenklich erscheint.
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Das Verfahren in Bayreuth läuft völlig getrennt von demjenigen am Landgericht Regensburg, das gegenwärtig eine Wiederaufnahme des gesamten Prozesses prüft. Sowohl Gerhard Strate, der Verteidiger Gustl Mollaths, als auch die Staatsanwaltschaft selbst hatten dies beantragt (...). Eine Entscheidung in Regensburg wird in den nächsten Wochen erwartet.
Die Justiz in Bayreuth prüft einmal im Jahr, ob Mollath weiter zwangsweise untergebracht werden muss. Das ist in solchen Fällen üblich. Die Ärzte des Bayreuther Bezirkskrankenhauses hatten kürzlich eine Gefährlichkeit des (...) Nürnbergers erneut bejaht. 2006 hatte das Landgericht Nürnberg-Fürth den Mann in einem heute äußerst umstrittenen Verfahren verurteilt.
Er habe, so das damalige Urteil, seine Frau misshandelt und durch zahlreiche Reifenstechereien Menschen gefährdet. Die Taten soll er in dem krankhaften Wahn begangen haben, Opfer eines Bankensystems zu sein. Mollath hatte 2003 Schwarzgeldschiebereien der HypoVereinsbank Nürnberg angezeigt, bei der seine damalige Frau beschäftigt war.
Der Gutachter soll nach der jüngsten Entscheidung aus Bayreuth nun "arbeitshypothetisch" weiter davon ausgehen, dass die 2006 beschriebenen Taten stattgefunden haben. Er soll sich dazu äußern, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass Mollath erneut Straftaten begehen wird, welcher Art diese sein werden und "welche Häufigkeit und welchen Schweregrad" sie haben werden [siehe den Kommentar des Fachmanns Dr. Sponsel zu dieser Beauftragung].
Weil Mollath bisher stets eine Begutachtung ablehnte – das tut er bis heute – beauftragte die Bayreuther Justitz einen Sachverständigen, der ihn Ende 2010 schon einmal untersucht und als kranken Straftäter eingestuft hatte [siehe Chronos #100]. Dieser soll nun "unter Berücksichtigung des eingetretenen Zeitablaufs und der Entwicklung des Untergebrachten" erneut tätig werden. Nach Auskunft von Mollaths Verteidigern habe jener Gutachter in seiner ersten Stellungnahme festhehalten, dass Mollath damals keine neuen Information oder Unterlagen beigebracht habe, die seine Unschuld beweisen würden [siehe Chronos #100 und #164].
Heute gibt es solche Belege, betonen Mollaths Anwälte Erika Lorenz-Löblein aus München und Gerhard Strate aus Hamburg in einer Erklärung zu dem jüngsten Bayreuther Beschluss. Die Anwälte weisen dabei auf den Inhalt des Wiederaufnahmeantrags der Staatsanwaltschaft hin.
Dort steht, dass ein wesentliches Beweismittel für eine der angeblichen Anlasstaten ein gefälschtes ärztliches Zeugnis gewesen ist. Das Bayreuther Gericht ignoriere außerdem völlig den Umstand, dass die Regensburger Staatsanwaltschaft die Glaubwürdigkeit der ehemaligen Frau Mollaths "tiefgreifend erschüttert" sieht. Auch die Ausweitung seines angeblichen Wahns auf Dritte habe sich längt als falsch herausgestellt. "Diesen Tatsachen begegnet das Landgericht Bayreuth mit verschlosssenen Augen", schreiben die Anwälte.
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Sehr geehrter Herr Hufe,
es ist zwar mutmaßlich vergeudete Liebesmüh sich bei einem
BR-Verwaltungsratsmitglied über eine Sendung des BR zu beschweren,
aber ich mache es trotzdem.
In der Sendung "Sonntags-Stammtisch" vom 7.4.2013 des BR war
auch die von einigen wenigen MdL’s hochgeschätzte Frau Staatsministerin
Merk anwesend. Dieter Hanitzsch hat im Laufe der Sendung
Frau Merk auf den Fall Mollath angesprochen.
Der Moderator – der Ex-Focus-Mann Markwort – wurde sichtlich
nervös und hat dubiose Behauptungen über Gustl Mollath und
seinen Fall von sich gegeben. Jeder Kenner der Fakten konnte
sich da nur wundern, welche Pfeife beim BR Sendungen machen
darf.
Dann ist "Moderator" Markwort Herrn Hanitzsch ins Wort gefallen
und sagte (frei zitiert)
"unterhalten wir uns lieber übers Wetter".
Unglaublich – diese menschenverachtende Äußerung!
Selbst mit zuviel Restalkohol im Blut könnte das nicht entschuldigt
werden.
Der BR hat über den Fall Mollath in vielen Sendung sehr objektiv
berichtet. Wenn nun der Rentner Markwort derartige dummdreiste
Sprüche von sich gibt, ist für mich unverständlich, dass
die zuständige Leitung des BR hier den Mann nicht stoppt.
Denn bereits in einer früheren Stammtisch-Sendung hat sich
Markwort beim Stichwort "Mollath" ähnlich
dümmlich aufgeführt.
In Stammtisch-Manier eben.
Okay, Sie werden hier nichts unternehmen wollen. Toll wäre
es trotzdem!
Mit freundlichen Grüßen
Heinz Westenrieder
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur wenige Artikel v. Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
In dem abenteuerlichen Bestseller-Schelmenroman des Schweden Jonas Jonasson ("Der Hundertjährige...") kommt ein Staatsanwalt in arge Erklärungsnot. Vermeintliche Mordopfer tauchen quicklebendig wieder auf. Der Jurist muss nun einer sehr drängenden Öffentlichkeit erklären, wie so etwas passieren konnte. Nach Tagen des Nachdenkens zieht er sich mit der Erklärung aus der Affäre, es sei ein kranker Leichenspürhund eingesetzt worden. (...)
Im Fall des seit sieben Jahren in der Psychiatrie eingesperrten Nürnbergers Gustl Mollath steht der Staatsanwaltschaft kein solcher vierbeiniger Sündenbock zur Verfügung. Dafür hat sie das Instrument eines Wiederaufnahmeantrags. Es gilt in der bundesdeutschen Justizgeschichte als einmaliger Vorgang, dass sowohl der Verteidiger als auch die Anklagebehörde selbst einen solchen Antrag zu einem Urteil stellt, das immerhin der Bundesgerichtshof als letzte Instanz bestätigt hatte.
Es gibt nicht den geringsten Hinweis dafür, dass ein politisch-kriminelles Netzwerk mit Mollath einen störenden und gefährlich gewordenen Banken-Kritiker aus dem Weg räumen wollte. [siehe die zahlreichen Blogbeiträge von Gabriele Wolff zum Thema Mollath oder die im opablog] Solche wilden Gerüchte tauchen immer wieder auf. Beruhigend wirkt es allerdings keineswegs, dass an solchen Hirngespinsten nichts dran ist. Denn es bedeutet umgekehrt nichts anderes, als dass offenbar die Existenz eines Menschen im Alltag des rechtsstaatlichen Justizsystems durch Fehler an den Rand der Vernichtung geraten kann. Die Verantwortlichen in Justiz und Politik werden dafür eine Erklärung finden müssen. Es reicht nicht, sich auf die Position zurückzuziehen: Die Gerichte arbeiten den Fall ja jetzt auf. Das tun sie schließlich nur, weil über Monate enormer öffentlicher Druck entstand und ohne Zutun der Justiz neue Fakten ans Tageslicht kamen, eine Aufgabe, die in Fürsorge für den Angeklagten Staatsanwälte und Richter hätten erledigen müssen. Ein Rechtsstaat aber, dem praktisch Privatinitiativen auf die Sprünge helfen müssen, wäre ziemlich auf den Hund gekommen.
Der wenige Tage alte Wiederaufnahmeantrag der Regensburger Staatsanwaltschaft spricht von "neuen Tatsachen und Beweismitteln", die jetzt aufgetaucht seien, und die es nötig machen, neu zu verhandeln. In Wahrheit ist jetzt nur der Blick auf Tatsachen neu und schärfer, die seit langem bekannt sind.
In der 143 Seiten umfassenden Liste aus Regensburg über die sträflichen Versäumnisse der Nürnberger Justiz gibt es mehr als bemerkenswerte Kernsätze. "Ob die Schilderungen der Wahrheit entsprachen, wurde nie hinterfragt", heißt es da. Wohlgemerkt, da ging es nicht um Stammtisch-Gerede, sondern um eine echte Gerichtsverhandlung mit Gustl Mollath als Angeklagtem. Oder: Eine Einvernahme wichtiger Beteiligter "ist zu keinem Zeitpunkt erfolgt".
Und zwischen dem tatsächlichen Geschehen und dem im früheren Urteil gegen Mollath "falsch wiedergebenen Sachverhalt besteht ein gravierender Unterschied". Bei wichtigen Verfahrensschritten lasse sich die gebotene Gewährung rechtlichen Gehörs "den Akten nicht entnehmen". Schreiben Gustl Mollaths werden in dem Antrag aus Regensburg nicht mehr wie in all den Jahren zuvor als völlig wirr, sondern als durchaus sinnvoll gewertet. Sie waren "tatsächlich nicht abwegig oder gar wahnhaft", heißt es an entscheidender Stelle. Er habe "logisch erklärbare Schlussfolgerungen aus realen Begebenheiten" gezogen, während der Psychiatrie-Sachverständige von "unzutreffenden Zusatztatsachen ausgegangen" sei.
Gustl Mollath aber sitzt bis heute in der Psychiatrie. Und zwar in der Obhut genau jenes Klinikchefs, über den die Regensburger Staatsanwaltschaft dies feststellt.
Das alles ist geeignet, das Vertrauen in den Rechtsstaat bis ins Mark zu erschüttern. Justizministerin Beate Merk hat jahrelang hartnäckig darauf hingewiesen, dass die Verurteilung Gustl Mollaths mehrfach überprüft und von Gutachtern bestätigt wurde.
Jetzt, wo unsägliche Fehler offenkundig geworden sind, muss sie gerade deshalb die Frage beantworten, wie es zu einem so gravierenden Organ-Versagen der Justiz kommen kann. Schließlich geht es nicht um eine fehlerhafte Gebührenrechnung, sondern um die Zerstörung eines Lebens.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur wenige Artikel v. Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Die Frage, wie lange sich ein Richter für eine Entscheidung Zeit nimmt, gehöre zum Kernbereich seiner Unabhängigkeit, betont Nürnbergs Justizsprecherin Anita Traud. Und die Gründe dafür, warum und wann Akten im Verfahren gegen Gustl Mollath innerhalb der Behörde weitergereicht wurden, ließen sich im Einzelnen gar nicht mehr in Erfahrung bringen.
Ein Motiv für die gezielte Herbeiführung der Zuständigkeit eines besitmmten Richters sei aber, so versichert sie, nicht vorstellbar. (...)
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur wenige Artikel v. Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Vor sieben Jahren war Mollath wegen Gewalttaten gegen seine damalige Frau sowie wegen Reifenstechereien an Autos angeklagt. Schon 2003 hatte er Schwarzgeldschiebereien bei der Nürnberger HypoVereinsbank angezeigt, bei der seine Frau seinerzeit beschäftigt war. Diese sind mittlerweile im Kern bestätigt.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth sah die Taten 2006 als erwiesen an, sprach Mollath aber wegen Schuldunfähigkeit frei. Er leide an einem krankhaften Banken-Wahn und sei gemeingefährlich. Die psychiatrischen Gutachten, die dies belegten, sind heute höchst umstritten.
Gestern teilte die Nürnberger Justiz knapp mit, dass die Regensburger Staatsanwaltschaft eine Wiederaufnahme beantragt hat. Es seien neue Tatsachen aufgetaucht, die dem Gericht früher nicht bekannt waren. Jetzt müsste die Glaubhaftigkeit von Unterlagen und Zeugen erneut gerichtlich überprüft werden. Das geschieht nun vor dem Regensburger Landgericht. Auch die Psychiatrie-Gutachten werden neu bewertet.
Details zu den Gründen für diesen Schritt nannte die Justiz nicht. Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich, der das Mollath-Urteil bis zuletzt vehement und öffentlich verteidigt hatte, sei nicht zu sprechen, hieß es dort. Das Justizministerium nimmt auf Anfrage lediglich "zur Kenntnis, dass die Staatsanwaltschaft der Anweisung der Ministerin" nachgekommen ist.
Beate Merk hatte sich im Dezember nach einem NN-Bericht für eine neue gerichtliche Überprüfung ausgesprochen. Es war bekanntgeworden, dass der Richter Mollaths den Angeklagten schon 2004 als "verrückt" bezeichnet hatte.
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur wenige Artikel v. Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
Herr Mollath, wie übersteht man sieben Jahre Unterbringung
mit psychisch kranken Straftätern in einer geschlossenen
Einrichtung, wenn man sich, wie Sie, für völlig gesund
und normal hält?
Gustl Mollath: Das ist nicht leicht. Schlimm ist der Schlafentzug
durch ständige nächtliche Kontrollen, bei denen das ganze Zimmer
ausgeleuchtet wird. In Bayreuth geschah das nachts alle zwei
Stunden. Zur Begründung heißt es: Das ist Vorschrift. Vorher,
in Straubing, war ich monatelang vollkommen in Einzelhaft isoliert.
Ich durfte nichts bei mir haben, nicht mal den Text des Grundgesetzes. "Das
tut Ihnen nicht gut", bekam ich zur
Antwort, als ich wissen wollte warum. Hinzu kommen Gefangene,
die auf einen losgehen. Oder ein Nekrophiler hat mir ständig
abscheuliche Sachen erzählt, wenn ich neben ihm stand. Da braucht
man eine eigene Strategie, um so was durchzustehen.
Wie sah Ihre Strategie aus?
Mollath: Ich habe mir von
Anfang an vorgenommen, mich in die Zustände, in die ich geraten
war, nicht zu ergeben. Es ging mir immer um die Wahrheit. Ich
wollte das widerlegen, was mir zu Unrecht angelastet wurde, von
den Straftaten bis zu einer angeblichen gemeingefährlichen Krankheit.
Andere versuchen in der Forensik, eine Rolle zu spielen, in der
Hoffnung, irgendwie möglichst bald wieder rauszukommen. Ich könnte
das nicht. Das liegt mir nicht. Meine Strategie war: nicht aufgeben.
Ich habe auch nie daran gedacht, mich selbst aus dem Leben zu
verabschieden. Während meiner Zeit in der Psychiatrie habe ich
einige Selbsttötungen von Mitgefangenen erlebt. Das Leben hier
kann zu einer unerträglichen Qual werden, wenn man keine Aussicht
hat, dass sich was verändert.
In einer
forensischen Abteilung sitzen sicher nicht nur Unschuldslämmer.
Sie lebten doch auch mit kranken Männer zusammen, die fürchterliche
Taten begangen haben.
Mollath: Die sind mit Sicherheit nicht alle unschuldig. Aber
ich frage mich, ob sich unter den Bedingungen, wie ich sie erlebt
habe, für diese Leute was zum Besseren ändert. Es gibt andere
Möglichkeiten, das Leben auch für diese Menschen erträglicher
zu machen, ohne die Sicherheit für die Gesellschaft zu gefährden.
Ich habe gehört, dass in Holland solche Leute auf einem größeren,
insgesamt natürlich streng bewachten Areal leben, auf dem sie
sich freier bewegen können.
Wie war Ihr Tagesablauf?
Mollath: Anfangs habe ich an einer sogenannten Arbeitstherapie
teilgenommen, auch um ein paar Pfennige für Seife, Briefmarken
oder einen Stift zu verdienen. Es gab Tätigkeiten, die ich gerne
gemacht hätte, weil sie im Entfernten etwas mit meinem erlernten
Beruf als Maschinenbauer zu tun hatten. Das erlaubte man mir
aber nicht. Also ging ich zum Tütenkleben. Ich war da sehr schnell
ganz gut. Bei mir ist das so, wenn ich was mache, möchte ich
es möglichst perfekt machen. Ich bekam aber nicht bezahlt, was
mir aufgrund meiner Leistung zugestanden hätte. Ich ließ das
nicht auf mir sitzen, aber es half nichts. Die Willkür, der Sie
hier ausgeliefert sind, gehört zu den unerträglichen Erfahrungen
hier. In Bayreuth habe ich dann nie gearbeitet, auch weil in
meiner Abwesenheit die eigene Habe durchwühlt wird. In den vergangenen
Monaten, war ich genug damit beschäftigt nachzulesen, was über
mich geschrieben wird. Und ich bereitete die juristischen Aufarbeitung
meines Falles mit vor.
Sie haben es der Justiz nicht immer schwer gemacht, Sie
als Wirrkopf oder nicht ernstzunehmenden komischen Kauz darzustellen.
Ihre ausschweifenden schriftlichen Äußerungen und Ihr Verhalten
vor Gericht erschien in der Vergangenheit auch dem unbefangenen
Beobachter gelinde gesagt merkwürdig. Würden Sie im Rückblick
heute etwas anders machen?
Mollath:
Vieles von dem, was ich damals geschrieben und getan habe, ist
später aus dem Zusammenhang gerissen und benutzt worden, um mich
falsch darzustellen. Vielleicht ist es tatsächlich zu blauäugig,
in solchen Situationen mit einem Funken Menschlichkeit bei den
Beteiligten zu rechnen. Sie dürfen nicht vergessen: Ich war damals,
vor zehn Jahren, als die Auseinandersetzungen begannen, der Verzweiflung
nahe. Für mich hat sich eine Apokalypse eröffnet. Der Geliebte
meiner damaligen Ehefrau kreuzte auf, um Sachen aus meinem Haus
abzuholen, und ich merkte, die meinen es wirklich ernst, mich
fertigzumachen. Warum erwartet man von einem Ertrinkenden, dass
er sich vollkommen gelassen und cool verhält? Für mich ist es
bis heute unvorstellbar, dass niemand genauer hingesehen hat,
was da läuft.
Was haben Sie vor, sollten Sie wieder auf freiem Fuß sein?
Mollath: Ich besitze absolut nichts mehr. Mein Haus ist zwangsversteigert
worden, meine gesamte Habe von Werkzeugen bis zu Zeugnissen,
von Kleidung bis zu jedem einzelnen Erinnerungsstück ist weg.
Nicht einmal ein Bild meiner Mutter wurde mir gelassen. Es ist,
als hätte ich nie gelebt. Wo das alles hingekommen ist, weiß
ich nicht. Aufklärung wird mir seit Jahren unmöglich gemacht.
Das heißt, ich muss mein Leben bei null beginnen. Ich werde mich
zunächst um ein Zimmer kümmern und Arbeit suchen. Vielleicht
klappt es dann mit einer kleinen Wohnung. Mal sehen.
Werden Sie weiter in eine umfassende juristische Aufklärung
Ihrer Geschichte der vergangenen zehn Jahre Energie investieren,
oder lassen Sie die Sache auf sich beruhen?
Mollath: Wenn mein Leben zum
Beispiel durch eine Naturkatastrophe derart erschüttert worden
wäre, wäre das leichter zu ertragen. Man wäre nicht allein betroffen,
man hätte eine Erklärung für die fürchterlichen Geschehnisse.
Die habe ich nicht. Ich habe weder Gefallen an der Opferrolle,
noch fühle ich mich als rächender Held, aber nach all dem, was
passiert ist, wäre es etwas viel, von mir zu verlangen: Lass
doch das Vergangene jetzt mal ruhen. Das, was mir bei der Justiz
und mit psychiatrischen Gutachtern passiert ist, kann anderen
schließlich auch passieren. Schon deshalb wäre eine umfassende
Aufklärung schon wünschenswert. (...)
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur wenige Artikel v. Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Seit längerem ist bekannt, dass eine Ärztin des Klinikums in dem seit zehn Jahren laufenden Verfahren sehr frühzeitig Partei für die damalige Ehefrau Mollaths ergriffen hat. (...)
Die Erlanger Medizinerin hatte den Anwälten der seinerzeitigen Ehefrau Mollaths sehr früh, nämlich bereits 2003, ungefragt eine ungewöhnliche ärztliche Stellungnahme an die Hand gegeben. Darin steht, dass Gustl Mollath "mit großer Wahrscheinlichkeit" an einer ernstzunehmenden psychiatrischen Erkrankung leide. Von ihm könne sogar eine erneute Gefährlichkeit für andere ausgehen. Gesprochen hatte die Klinikärztin Mollath nie. [s. Chronos #32]
In den juristischen Verfahren ist die Medizinerin bisher auch nie gefragt worden, in welcher Beziehung sie zu dem Paar Mollath steht. Die Erlanger Ärztin stützte sich allein auf die Schilderungen der Frau und empfahl nur aufgrund deren Erzählungen dringend eine psychiatrische nervenärztliche Abklärung des Mannes.
Die sollte dann später auf gerichtliche Anordnung auch erfolgen. Beauftragt wurde damit ihr Kollege Dr. Michael Wörthmüller, Chefarzt der Erlanger Klinik für Forensische Psychiatrie. Mollath war damals sieben Tage in seiner Obhut.
Wörthmüller hat sich dann bekanntlich für befangen erklärt [s. Befangenheitserklärung], weil ein Nachbar, "mit dem ich freundschaftlich verbunden bin", wie er dem Richter schrieb, ihn, den Arzt, "ausführlich über seine Sicht der Angelegenheit Mollath informierte". Dieser Nachbar Wörthmüllers war auf das Engste mit den HypoVereinsbank-Kreisen verbunden, die Mollath schwer belastete.
Der Erlanger Klinikchef bot dem Gericht damals aus freien Stücken einen Bayreuther Kollegen als Gutachter an. Dieser stufte Mollath dann als krank und gefährlich ein.
Jetzt haben gut informierte Justizkreise gegenüber unserer Zeitung von einer Begegnung Wörthmüllers mit dem Nürnberger Richter Otto Brixner berichtet, der Mollath mit seiner Entscheidung in die Psychiatrie brachte. Das Treffen war 2006, zwei Jahre nachdem Wörthmüller sich für befangen erklärt hatte.
Der Arzt soll, so schildern es diese Kreise in einer Verhandlungspause anscheinend beiläufig, in das Richterzimmer Brixners gekommen sein, und in Worten und Gesten deutlich zu verstehen gegeben haben, dass Mollath psychisch gestört sei. Brixner habe darauf zustimmend geantwortet und angemerkt, dem Angeklagten schaue der Wahnsinn aus den Augen. Stunden später sprach Brixner das folgenreiche Urteil. Man habe den Eindruck gewinnen können, die Mitglieder der Strafkammer sollten "eingenordet" werden, sagen die Justizkreise.
Otto Brixner erklärte jetzt auf Anfrage, er könne sich nicht an eine solche, sieben Jahre zurückliegende Szene erinnern. Michael Wörthmüller gab gegenüber unserer Zeitung eine schriftliche Stellungnahme ab. Darin versichert er, "nie das Gespräch mit einer der mit dem Hauptverfahren gegen Herrn Mollath befassten Personen gesucht" zu haben. Weitere Auskünfte könne er momentan "leider" nicht geben, da eine Befragung durch die Staatsanwaltschaft anstehe. "Von dortiger Seite wurde ich darum gebeten, mich nicht weiter vorab gegenüber der Presse zu äußern". Wie berichtet, prüft die Staatsanwaltschaft Regensburg derzeit, ob sie in der Sache Mollath einen Wiederaufnahmeantrag stellt. (...)
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur wenige Artikel v. Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Am 30. Juni 2004 wurde Gustl Mollath zwangsweise in das Erlanger Klinikum gebracht. Ein Amtsrichter hatte dies zur Vorbereitung eines Gutachtens über den psychischen Zustand des Nürnbergers angeordnet.
Vor Gericht ging es damals um der Vorwurf‚ Mollath habe seiner Frau Gewalt angetan und umfangreiche Sachbeschädigungen begangen. Zwei Jahre später wurde er wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen, weil er die Taten in einem krankhaften und gemeingefährlichen Wahn begangen habe. Mollath hatte seiner Frau und anderen, die damals bei der HypoVereinsbank beschäftigt waren, Schwarzgeld-Verschiebungen vorgeworfen. Erst im vergangenen Jahr war bekanntgeworden, dass der Kern der Vorwürfe stimmte.
In Erlangen war Gustl Mollath im Jahr 2004 sieben Tage eingesperrt. Danach kam er vorübergehend frei, weil sich Chefarzt Wörthmüller für befangen erklärt hatte. [Befangenheitserklärung Dr. Wörthmüller] Ein befreundeter Nachbar, der aufs Engste mit den von Mollath belasteten Bank-Mitarbeitern verbunden war. habe ihm, Wörthmüller, seine Sicht der Dinge erklärt.
"Ich sehe mich außerstande, mit der notwendigen Objektivität das angeforderte Gutachten zu erstatten"‚ hielt Wörthmüller laut Akten bereits einen Tag nach Mollaths Einlieferung fest. Dem Gericht hat er das Schreiben über seine Befangenheit aber erst Tage später übermittelt. "Diese sieben Tage, die keinerlei Erkenntnisgewinn brachten, waren der entscheidende Baustein für die endgültige Unterbrinung Mollaths", schreibt sein Anwalt Gerhard Strate in seinem Antrag, "sieben Tage, die sieben Jahre bedeuteten." Mehr als ein Zehntel des Antragstextes (...) beschäftigt sich deshalb mit den Ereignissen in Erlangen.
Mollath hatte schon damals von "Verbindung von Dr. Wörthmüller zu den Schwarzgeldverschieberkreisen" gesprochen. Später galt dies vor Gericht als der entscheidende Hinweis auf eine schwere psychische Störung des heute 56-Jährigen.
Anwalt Strate weist nun darauf hin, dass der Arzt bis heute nie von der Justiz vernommen wurde, und fragt, warum dieser seine Befangenheit tagelang zurückhielt.
Wörthmüller hätte bekannt sein müssen, dass jede Freiheitsentziehung nur durch einen Richter angeordnet werden kann. Er hätte dies umgehend klären müssen. Strate spricht von einer "angemaßten Machtvollkommenheit" des Mediziners. "Das ist unfassbar", meint Strate zu dessen Verhalten und den seinerzeit fehlenden Nachforschungen der Justiz.
Gegenüber unserer Zeitung versicherte Wörthmüller jetzt, nie mit Schwarzgeld-Aktionen
zu tun gehabt zu haben. Und für seine Nachbarn könne er nichts,
so wenig wie jeder andere Mensch. Der Erlanger Arzt nennt auch
einen Grund für die von Strate kritisierte zeitliche Verzögerung: "Ich
musste mir nach der Vorführung von Herrn Mollath durch die Polizei
in der Klinik erst darüber klarwerden, wie ich weiter vorgehe." Dies
habe er gemeinsam mit Mollath so besprochen. Man habe abwarten
wollen, ob man nicht doch noch einen Weg zueinander findet, um
weitere Polizeiaktionen zu vermeiden. Es sei die Sorge um den
Nürnberger gewesen, die ihn antrieb.
[s. auch: http://gabrielewolff.wordpress.com/2012/12/14/der-fall-gustl-mollath-rosenkrieg-und-versagen-von-justiz-psychiatrie-iii/ ]
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(Bisher sind bei den Nürnberger Nachrichten nur wenige Artikel v. Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt oder der Name des Autors wird nicht genannt, deshalb wird dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
Das insgesamt 140 Seiten umfassende Schreiben ist offenbar mit der Regensburger Staatsanwaltschaft abgestimmt. Sie wird demnächst einen eigenen Wiederaufnahmeantrag stellen [s. Focus-Meldung vom gleichen Tag: "Bis Mitte März wolle die Anklagebehörde ihre Ermittlungen abgeschlossen haben. ..."]. Dies hatte Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) (...) im vergangenen Dezember angeordnet. Recherchen (...) hatten ergeben, dass aus Kreisen der Nürnberger Justiz auf die Behandlung von Gustl Mollaths Anzeigen wegen Schwarzgeld-Verschiebungen bei der HypoVereinsbank Nürnberg möglicherweise Einfluss genommen wurde.
Gegenüber den Finanzbehörden hatte ein Justizvertreter demnach Mollath schon im Jahr 2004 als "verrückt" bezeichnet. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch gar kein medizinisches Gutachten über den Gesundheitszustand des Nürnbergers. Eine solche Expertise liegt erst seit 2006 vor und ist (...) ebenfalls umstritten.
"In meiner Antragsschrift sind die Erkenntnisse noch nicht verarbeitet, welche die Staatsanwaltschaft Regensburg in ihren Ermittlungen seit Anfang Dezember gewonnen hat", sagt Gerhard Strate. Er habe dort aber bereits Akteneinsicht bekommen. Der Mollath-Anwalt spricht von einer Kommunikation mit der Regensburger Behörde, die "von gegenseitigem Vertrauen geprägt" ist. Die Ergebnisse der oberpfälzischen Justiz würden in deren Antrag verarbeitet. Er selbst habe dies mit Absicht nicht getan. "Die beiden Wiederaufnahmegesuche, nämlich das der Verteidigung und das der Staatsanwaltschaft, werden sich wechselseitig ergänzen", betont Strate.
Erst kürzlich war bekanntgeworden, dass die Regensburger Justiz keine Presseauskünfte mehr erteilt. Dafür sei jetzt allein der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich zuständig. Regensburg gehört noch zum hiesigen Gerichtsbezirk. ["Am 5.8.2004 erstattete Gustl Mollath insgesamt sechs Strafanzeigen, die er »Gemäß Strafprozessordnung § 158« an den Präsidenten des Amtsgerichts Nerlich, seit dem 1.10.2011 Generalstaatsanwalt in Nürnberg, richtete." Zitat: OStA i. R. Gabriele Wolff]
Über den zeitlichen Fortgang des Falles Mollath, der nach der Berichterstattung unserer Zeitung in den vergangenen Monaten bundesweit Aufmerksamkeit erregt hat, lässt sich laut Gerhard Strate keine Prognose abgeben. Er ist sich aber sicher, dass "am Ende des Verfahrens die vollständige Rehabilitierung Mollaths stehen wird".
In seinem nun eingereichten Antrag schreibt der renommierte Hamburger Jurist, eine Wiederaufnahme sei dann zulässig, wenn bei dem angefochtenen Urteil ein Richter mitgewirkt hat, "der sich in Beziehung auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat", und wenn neue Tatsachen oder Beweismittel vorhanden sind. Beide Gründe "sind mehrfach gegeben", heißt es in dem Antrag Strates.
Er listet insgesamt zehn angebliche Amtspflichtverletzungen des damaligen Vorsitzenden der 7. Strafkammer des Landgerichts Nürnberg-Fürth auf und wertet sie als "vorsätzliche Rechtsbeugung". Davon spricht man nur, wenn ein Gesetz nicht beachtet wurde, nicht etwa dann, wenn es nur falsch interpretiert wurde.
Zu diesem Schluss kommt Strate, weil Gustl Mollath nach seiner Festnahme im Februar 2006 nicht unverzüglich, also spätestens am nächsten Tag, dem zuständigen Richter vorgeführt wurde. Vielmehr sei er fast drei Wochen in Haft gewesen, "ohne überhaupt zu erfahren, weshalb". Dies verstoße sowohl gegen das Grundgesetz als auch gegen die Bayerische Verfassung.
Beim Landgericht Nürnberg-Fürth habe sich niemand, insbesondere nicht der Vorsitzende der 7. Strafkammer, darum gekümmert, dass Gustl Mollath etwas über die Gründe seiner Festnahme und die Möglichkeiten seiner Verteidigung erfahre.
Grobe Verstöße der Gerichte sieht Strate schon bei der Überweisung der damaligen Strafsache gegen Mollath vom Amtsgericht an das Landgericht. Auch hier hätte nach Ansicht des Anwalts dem Nürnberger Gelegenheit gegeben werden müssen, Stellung zu nehmen. Außerdem hätte eine Beschwerde Mollaths gegen diese Maßnahme dem Oberlandesgericht vorgelegt werden müssen. "Hierzu wäre der Richter laut Strafprozessordnung gesetzlich verpflichtet gewesen."
Das schriftliche Urteil von 2006 enthalte, so der Anwalt, außerdem "wenigstens drei nachweisbare Verfälschungen des Sachverhalts". Auch dies sei nach Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Rechtsbeugung.
Zu den neuen Tatsachen gehört für Strate der vertrauliche Revisionsbericht der HypoVereinsbank vom März 2003. Dessen Inhalt war ebenfalls durch Recherchen der Nürnberger Nachrichten im vergangenen Jahr öffentlich geworden. Dort steht, dass sich "alle nachprüfbaren Behauptungen" Mollaths "als zutreffend herausgestellt haben".
Als richtig habe sich schließlich auch Mollaths Behauptung herausgestellt, der Leiter der forensischen Abteilung in der Klinik am Europakanal in Erlangen stehe mit einer Person in Verbindung, die geschäftlich eng mit betroffenen HypoVereinsbank-Mitarbeitern verbunden gewesen sei. Dieser Hinweis (...) ist besonders wichtig, weil das Nürnberger Gericht 2006 gerade diese Behauptung Mollaths als Teil seiner angeblich wahnhaften Gedankenwelt gewertet hatte.
Strate betont, er habe sich ausschließlich auf Beweis- und Aktenmaterial gestützt, welches dem Nürnberger Landgericht schon 2006 zur Verfügung stand.
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(Bisher ist bei den Nürnberger Nachrichten kaum ein Artikel v. Michael Kasperowitsch zum Thema Mollath online gestellt, deshalb wird dieser Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Etwas auffällig war Gustl Mollath schon immer — auffällig spontan, auffällig engagiert gegen Ungerechtigkeit und gradlinig mit einem Hang zum Extravaganten. So hat ihn zumindest Marion Ullmann in Erinnerung. Sie besuchte mit ihm die Rudolf-Steiner-Schule in Nürnberg. Er war ihr "erster Freund".
Die heute 54-jährige Nürnbergerin hatte ihren alten Schulkameraden jahrzehntelang aus den Augen verloren. Erst ihre Mutter machte sie auf das tragische Schicksal Gustl Mollaths aufmerksam. Diese war vor einem Jahr über die Berichterstattung auf den Fall gestoßen und hatte sich sofort an den früheren Freund ihrer Tochter erinnert.
"Ich habe ihm dann eine Mail [die ihn dann im Ausdruck zugeleitet wurde] geschrieben", erzählt Marion Ullmann, "und er hat mich schließlich zurückgerufen." Seither ist sie für Mollath so etwas wie eine beflissene Managerin seiner Kontakte nach draußen. Täglich 20 bis 30 Mails gehen auf der Unterstützer-Homepage www.gustl-for-help.de ein, seit der Fall bundesweit für Schlagzeilen sorgt. Ullmann leitet sie an ihren alten Freund weiter, der gibt sie, versehen mit Kommentaren, an sie zurück. Danach bekommen die Absender meist Antwort. In der Bayreuther Forensik hat Mollath selbst keinen Zugang zu einem PC.
Die 54-Jährige kann sich vorstellen, dass es Mollath mit der ihm eigenen direkten Art seiner Umgebung nicht immer leichtmacht, das schon. Zweifel daran, dass er die Wahrheit sagt oder Zweifel an seinen lauteren Absichten sind ihr in den vergangenen Monaten, in denen sie sich ständig mit ihm austauscht, aber nie gekommen.
Das geht Robert Lindner genauso. Der 55-jährige Hersbrucker kennt ihn ebenfalls aus der Steiner-Schule. Die beiden waren dort zusammen in der Maschinenbauer-Lehre.
Die Leidenschaft für flotte Autos verband sie. Lindner brachte seinen Wagen lange Zeit in die Werkstatt, die Mollath damals betrieb. "Der arbeitete äußerst korrekt und sauber", erinnert sich Lindner, "die Berichte waren akkurat, so wie es unter Maschinenbauern sein muss."
Eine ganz enge Freundschaft unterhielten die beiden nie, "aber Gustl hat mein Interesse für Themen geweckt, die mich damals nicht so bewegten. Ich war eher unpolitisch." Die Friedensbewegung gehörte dazu oder die weltweiten Waffengeschäfte.
Auch von den nach Ansicht Mollaths illegalen Bankgeschäften seiner damaligen Frau war am Rande die Rede, zu einem Zeitpunkt, als sich die Justiz noch längst nicht mit der Angelegenheit beschäftigte. "Du kannst dir nicht vorstellen, was da läuft", habe ihm Gustl Mollath dazu gesagt.
Vor etwa vier Jahren erfuhr Lindner dann, dass sein alter Bekannter in der Psychiatrie eingesperrt ist. Er hat danach umgehend zum Unterstützerkreis Kontakt gesucht. "Ich selbst hätte mit den Ärzten in Bayreuth eher mitgespielt, um da wieder rauszukommen", bekennt der Hersbrucker, "aber Gustls Sache ist so was nicht. Dazu ist er zu aufrecht." Für Mollath sei es schwer, Hilfe anderer anzunehmen, wenn er sich im Recht fühlt.
Gegenwärtig kann Robert Lindner nicht viel tun, außer an dem verhängnisvollen Los seines Kumpels teilzunehmen. Sollte er aber jemals freikommen, will ihm der Hersbrucker eine Stelle in seiner Schlosserei anbieten. Auch für eine Wohnung sei gesorgt. Gustl Mollath ist gegenwärtig ohne jeden Besitz.
Solche ganz praktische Hilfe kann Dr. Rudolf Sponsel aus Erlangen nicht leisten. Als Psychotherapeut hilft er im Unterstützerkreis aber, die Gutachten über Mollath zu werten. "Als ich von seiner Geschichte vor einem Jahr erstmals in der Zeitung las, war ich empört über den Umgang mit diesem Menschen", sagt Sponsel.
Je weiter er sich in die Materie vertiefte, desto deutlicher sei ihm der "ungeheure Murks und Pfusch" in diesem Fall geworden. Das Urteil des Erlangers ist hart: "Der Rechtsstaat scheint hier in Teilen in Auflösung begriffen." [s. die Website von Dr. Sponsel mit vielen fachkundigen Kommentaren und fundierter Gutachterkritik zum Fall Mollath]
(Bisher ist bei den Nürnberger Nachrichten kein Artikel zum Thema Mollath online gestellt, deshalb wird der Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
In den Sog der Affäre Gustl Mollath ist auch eine Medizinerin der Klinik am Europakanal Erlangen des Bezirks Mittelfranken geraten. Die Assistenzärztin der Einrichtung hat den Anwälten der damaligen Ehefrau des Nürnbergers 2003 eine äußerst ungewöhnliche ärztliche Stellungnahme an die Hand gegeben.
Darin steht, dass Gustl Mollath "mit großer Wahrscheinlichkeit" an einer ernstzunehmenden psychiatrischen Erkrankung leide. Es sei sogar zu erwarten, dass von ihm eine erneute Fremdgefährlichkeit ausgehe. Die Medizinerin empfiehlt der Frau in ihrem dem Gericht vorlegten Bericht ferner, Vorsichtsmaßnahmen zu ergreifen. Zusätzlich sei bei Gustl Mollath eine psychiatrische nervenärztliche Abklärung anzustreben. Gesehen hat die Ärztin des Bezirks den Mann, über den sie schrieb, bis zu diesem Zeitpunkt nie. Sie begründete ihre folgenreiche Einschätzung allein mit den Schilderungen der Ehefrau [s. Chronos P.29]. Die musste schon damals befürchten, dass ihr Mann wegen der seiner Ansicht nach illegalen Schwarzgeldgeschäfte an die Öffentlichkeit geht.
Das Amtsgericht verhandelte vor neun Jahren zunächst die Anzeige der Mollath-Gattin wegen Körperverletzung. Dieser Termin markiert aber auch den Start des Weges von Gustl Mollath in die Psychiatrie. Zu welcher Beziehung die Ärztin zu dem Ehepaar damals stand, ist nie gefragt worden. Helmut Nawratil, Chef der Bezirkskliniken Mittelfranken, sieht auch keinen Anlass, das zu klären. Er beruft sich auf die ärztliche Schweigepflicht.
(Bisher ist bei den Nürnberger Nachrichten kein Artikel zum Thema Mollath online gestellt, deshalb wird der Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Im Archiv der Nürnberger Steuerfahnder schlummern aus heutiger Sicht brisante Unterlagen zum Fall Gustl Mollath. Schon 2004 ist dort seine Anzeige gelandet, in der er seine damalige Frau, die bei der HypoVereinsbank in Nürnberg arbeitete, und etliche ihrer Kollegen krummer Geschäfte bezichtigte. Zuvor lagen die Vorwürfe bereits der Staatsanwaltschaft vor. Auch bei der Finanzbehörde wurde die Angelegenheit aber schnell zu den Akten gelegt.
Wie Behördenkreise gegenüber unserer Zeitung berichteten, dauerte es keine drei, vier Wochen, bis die Finanzbeamten das mehrseitige Material abhakten und sich nicht mehr weiter damit beschäftigten. Das habe einen besonderen Grund gehabt, sagen intime Kenner dieser Vorgänge. Es habe einen eindeutigen Anruf aus der Justiz gegeben. Der Mann, also Gustl Mollath, sei nicht klar bei Verstand. Man müsse ihn nicht sonderlich ernst nehmen. Und so geschah es auch.
Alexander Ulbricht, Sprecher des Landesamtes für Steuern, bestätigt den Eingang der Anzeigen von Mollath im Jahr 2004 bei den Finanzbehörden. Die Prüfungen seien ohne Ergebnis abgeschlossen worden. Auch dass dieses Ende schnell kam, "könnte sein", meinte Ulbricht. Den Grund dafür kennt er aber nicht.
Zu diesem Zeitpunkt gab es längst den vertraulichen Bericht der HypoVereinsbank, der im Kern die Richtigkeit von Mollaths Angaben bescheinigte. Nachgefragt hat dort niemand. Er wurde erst kürzlich durch Veröffentlichung der Nürnberger Nachrichten bekannt.
In den genannten Behördenkreisen wird der heute pensionierte Richter Otto Brixner als jener Anrufer genannt. Er war es, der Gustl Mollath dann zwei Jahre später aufgrund eines entsprechenden Gutachtens in die Psychiatrie einwies, wo der Nürnberger bis heute sitzt. Während der Verhandlung 2006 hatte Brixner dem damaligen Angeklagten Mollath zum Teil lautstark und drohend verboten, sich über die Schwarzgeld-Geschichte weiter auszulassen.
Auf Anfrage teilte Otto Brixner gestern mit, er könne sich an ein solches Telefonat nicht erinnern. Das sei zu lange her, und an die Akten komme er nicht mehr heran.
Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU), deren Stuhl wegen ihrer umstrittenen Haltung im Fall Mollath kräftig wackelt, hatte noch Anfang November mitgeteilt, die Finanzbehörden seien erst in diesem Jahr aktiv geworden. Die jetzt bekanntgewordenen Vorgänge aus dem Jahr 2004 — da war Merk schon als Justizministerin im Amt — kannte sie entweder nicht oder sie hat sie verschwiegen. Im Landtag stand die CSU-Politikerin gestern zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit unter Beschuss.
Zwar stimmte die schwarz-gelbe Mehrheit im Parlament gegen die Forderung der Grünen, Merk als Ministerin zu entlassen. Breite Zustimmung, auch bei CSU und FDP, fand aber ein Dringlichkeitsantrag der SPD, in dem eine umfassende Aufklärung aller Vorwürfe zum Umgang der Justiz mit dem Nürnberger Gustl Mollath verlangt wird.
Die Grünen-Abgeordnete Christine Stahl aus Nürnberg hat der Justizministerin eine "Blockadehaltung" vorgeworfen. Diesem "Spuk" müsse ein Ende bereitet werden.
Auch die SPD-Abgeordnete Inge Aures betonte: "Ich weiß nicht, wie lange die Ministerin noch mauern will." Das Verhalten Merks im Fall Mollath sei peinlich. Aures drohte erneut mit einem Untersuchungsausschuss. [s. Landtagsdebatte v. 2012-11-29]
Unterdessen hat sich auch Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) in die Debatte eingeschaltet. Das Schicksal Gustl Mollaths dürfe nicht als Justizskandal in die Rechtsgeschichte eingehen, sagte sie der Passauer Neuen Presse.
Nachdem Merk bis vor kurzem eine neue psychiatrische Begutachtung Mollaths als unnötig abgelehnt hatte, kündigte die Nürnberger Staatsanwaltschaft Anfang der Woche völlig überraschend eben einen solchen Antrag an (...). Dies haben die Landtagsabgeordneten nun einmütig begrüßt.
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(...) Die Unabhängigkeit der Gerichte ist auch für Horst Seehofer selbstverständlich ein unverrückbares Fundament des Rechtsstaates. Seiner Ansicht nach sei die Justiz in dieser Frage allerdings "gut beraten, den Fall noch einmal neu zu bewerten". Das war gestern offenbar das Startsignal für eine Wende in dem umstrittenen Fall. Justizministerin Merk darf das durchaus als politische Klatsche empfinden. Sie ist seit Jahren mit dem gesamten Komplex Gustl Mollath vertraut. In den vergangenen Monaten hatte sie mantraartig auf die gründliche Behandlung der Causa Mollath vor Gerichten und in Gutachten hingewiesen. Jetzt geht es offenbar noch etwas gründlicher.
Der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich ließ nun erklären, "das Vertrauen in die Justiz droht Schaden zu nehmen". Er macht dafür die "zum Teil einseitige Medienberichterstattung" verantwortlich. Die Justiz habe sich "in der Sache Mollath" stets um "optimale Aufklärung bemüht". Diese Redewendung gilt in Arbeitszeugnissen bekanntlich als wenig schmeichelhaft. Nun soll also mit Hilfe eines neuen psychiatrischen Gutachtens vor Gericht untersucht werden, ob Gustl Mollath zu Recht seit fast sieben Jahren in einer geschlossenen Anstalt sitzt. Vielsagend ist der Hinweis Nerlichs, dies geschehe auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Dauer der Unterbringung. Genau dieser Aspekt ist Teil einer Beschwerde Mollaths beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Außerdem sieht er den Grundsatz des rechtlichen Gehörs grob verletzt. Erst in diesem Juni hatte die Vollstreckungskammer am Bayreuther Landgericht entschieden, dass der Nürnberger Ingenieur weiter eingesperrt bleiben muss. Sie stützte sich dabei auf ein Gutachten von Dr. Klaus Leipziger, den Chef der Forensik am Bayreuther Bezirkskrankenhaus. Solche Fälle müssen jährlich überprüft werden.
Das Schicksal von Gustl Mollath hatte in den vergangenen Wochen bundesweit Aufsehen erregt. Große Zeitungen, Magazine und Rundfunkanstalten haben darüber kritisch berichtet. Vor gut einem Jahr war seine Geschichte durch die Berichterstattung der Nürnberger Nachrichten einer breiten Öffentlichkeit bekanntgeworden. Recherchen unserer Zeitung förderten Zug um Zug Zweifel an der Rechtmäßigkeit seiner Verurteilung zutage.
Mollath hatte vor zehn Jahren Schwarzgeld-Verschiebungen im großen Stil bei der HypoVereinsbank angezeigt. Dort arbeitete unter anderem seine damalige Ehefrau, die er von den seiner Meinung nach illegalen Geschäften abbringen wollte. Auf dem Höhepunkt des Streits zeigte die Frau ihren Mann wegen schwerer Körperverletzung an. Der Nürnberger wurde wegen Schuldunfähigkeit aufgrund einer Geisteskrankheit freigesprochen und in der Psychiatrie eingesperrt. Er fühle sich, so das Urteil, als Opfer des Bankensystems und habe ein "paranoides Gedankensystem" entwickelt.
Kürzlich war ein vertraulicher Bericht der HypoVereinsbank aus dem Jahre 2003 aufgetaucht, der Mollaths Vorwürfe im Kern bestätigte. Seine Frau war schon damals von der Bank entlassen worden. Seit über einem Jahr gibt es außerdem die eidesstattliche Erklärung eines früheren Freundes des Paares. Er bezeugt, die damalige Frau Mollaths habe sich mit ihren guten Beziehungen in Nürnberg gebrüstet und gedroht, sie mache ihren Mann fertig. Die Justiz hat das bisher nicht aufgegriffen. Die Nürnberger Landtagsabgeordnete Christine Stahl (Grüne) erklärte, es müsse nun ein unbefangener Gutachter eingeschaltet werden. Florian Streibl von den Freien Wählern (FW) betonte, falls sich bestätige, dass Gustl Mollath zu Unrecht einsitze, könne Merk nicht mehr im Amt bleiben.
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Im Fall Gustl Mollath hat Justizministerin Beate Merk im Landtag bisher eisern vorgerechnet, dass nicht der geringste Zweifel am Vorgehen der Staatsanwaltschaft aufkommen kann. Jetzt erhält die Dienstherrin der Anklagebehörde etwas Nachhilfe.
Bei all den teils irren Wendungen, welche der tragische Krimi in den vergangenen zehn Jahren genommen hat, gibt es ein großes Versäumnis der Staatsanwaltschaft. Sie hat von Anfang an nicht den leisesten Versuch unternommen, Mollaths Angaben zu überprüfen. Und sie ließ sich in dieser Haltung selbst durch neue Erkenntnisse nie beirren. Warum?
Es gab praktisch zwei parallele Verfahren. Das eine führte die Nürnberger Justiz mit dem bekannten Ergebnis durch: Mollath ist krank, weil er nicht von seinem Banken-Wahn ablässt, und er ist allgemeingefährlich. So gut wie zeitgleich war die fragliche Bank tätig, mit einem völlig anderen Resultat. Für sie klingen die Anschuldigungen Mollaths zwar etwas diffus, aber alle seine nachprüfbaren Behauptungen haben sich für sie als zutreffend erwiesen.
Der Kronzeugin der Justiz stellt die Bank ein bedenkliches Zeugnis aus: Sie zeige sich berechnend und wenig kooperativ. Und davon will in der Justiz keiner gewusst haben? Wie es dazu kommen konnte, ist eine der Kernfragen, welche die Ministerin noch beantworten muss. In einem Rechtsstaat darf es solche Parallel-Verfahren nicht geben. Das ist es, was dem Vertrauen in die Justiz schadet, und nicht die Medienberichterstattung darüber, wie Generalstaatsanwalt Nerlich jetzt meint.
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Bei den verschiedenen Schreiben des Nürnbergers, in denen er Mitarbeitern der HypoVereinsbank – vor allem seine damalig Ehefrau zählte dazu – illegale Geldgeschäfte vorgeworfen hattte, handele es sich zweifelsfrei um Strafanzeigen. Die Justiz hätte deshalb unbedingt weitere Ermittlungen veranlassen müssen. (s. Video der Stellungnahme)
Tatsächlich wurde das Verfahren 2004 aber eingestellt. (...) Strate (...) war von den Freien Wählern (FW) im bayerischen Landtag mit einem Gutachten beauftragt worden. Justizministerin Beate Merk (CSU) ist in der Affäre politisch unter Druck geraten. Sie hatte im Rechtsausschuss des Landtags Mollaths Angaben erst im Frühjahr als wirres Sammelsurium bezeichent, mit dem die Staatsanwaltschaft nicht habe anfangen können.
Der Hamburger Jurist kommt in seiner Bewertung zu einem ganz anderen Ergebnis. Die Nürnberger Staatsanwlatschaft hätte "schlicht durch die Benutzung eines Computers mit Internetzugang" herausfinden können, dass wesentliche Schilderungen Mollaths der Wahrheit entsprechen. Dieser nannte Dutzende von Namen aus dem Nürnberger Raum und handfeste Verbindungen zu einem Schweizer Banker.
Auch für die Behauptung, seine, Mollaths, Frau habe jeweils freitags Geldkurierfahrten in die Schweiz unternommen, weil sie an diesem Wochentag frei hatte, wären leicht Belege zu finden gewesen. "Durch ein schlichtes Auskunftsersuchen bei der Personalabteilung der HypoVereinsbank hätte man das verifizieren können", meinte Strate. Mit der Einholung einer richterlichen Anordnung durch die Staatsanwaltschaft hätte die Bank dann uneineschränkte Auskunft geben müssen. "Das gilt inssbesondere für die Herausgabe von Kontoverdichtungen." Ein Bankgeheimnis gegenüber Strafverfolgungsbehörden existiere nicht.
(...)
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(...) Sie verschickte Nachrichten über sein Faxgerät, die Schweizer Banken antworteten, meterlang quoll das Papier aus dem Gerät: "Bitte überweisen Sie vom Konto Laim 1112 DM 40.000,– auf Konto Seligstadt 2986." Allein an einem Mittwoch im Dezember 2001 waren es Transaktionen im Wert von 115.000 Mark. (...)
Gustl Mollath wies sogar ihre Vorgesetzten auf die Tätigkeiten seiner Frau hin. Die HypoVereinsbank nahm seine Hinweise ernst und führte eine interne Prüfung durch [s. Briefwechsel mit der Bank und Revisionsbericht]. Am 15. Januar 2003 begann die Untersuchung gegen Petra Mollath. Es war der Tag, an dem sie der Polizei schilderte, wie ihr Mann sie eingesperrt, geschlagen, gebissen und gewürgt haben soll.
Gut drei Jahre später, im August 2006, verhandelte das Landgericht über diese Körperverletzung. Die Allgemeinärztin Madeleine R. hatte die Verletzungen in einem Attest protokolliert. (...) Allerdings: Das Attest datiert auf zehn Monate nach der Verletzung. Fotos von der Tat gab es nicht. [s. Chronos P.11 ff]
Madeleine R. ist heue in den Siebzigern (...). An den Fall erinnert sie sich "überhaupt nicht", den Namen Mollath lässt sie sich buchstabieren. Sicher aber ist sie, dass sie in dieser Sache nie als Zeugin vor Gericht geladen worden sei, "daran würde ich mich erinnern".
Der Richter habe insgesamt wenig nachgehakt, erinnert sich Karl-Heinz Westenrieder. Er saß der Verhandlung als Schöffe bei. "Richter Brixner war ein Mann, der seine Fälle schnell vom Tisch haben wollte", sagt er heute. Auch das Thema Schwarzgeld habe der Richter nicht thematisiert, obwohl Gustl Mollath immer wieder davon anfing. Der Richter sei genervt gewesen, wurde laut, schrie Mollath an, wenn er noch einmal etwas von Steuerhinterziehung sage, würde er ihn des Saales verweisen. Am Ende verwies er ihn dauerhaft in die Psychiatrie.
Die Glaubwürdigkeit von Petra Mollath stellte das Gericht nicht infrage, obwohl sie wegen der Enthüllungen ihres Mannes durchaus ein Motiv für falsche Behauptungen gehabt haben könnte. (...) [s. Urteil 2006-08-08]
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(...) Der Druck muss für die damalige Ehefrau von Gustl Mollath enorm gewesen sein. Sie war da noch bei der HypoVereinsbank beschäftigt und er wollte sie unbedingt von ihren – seiner Ansicht nach höchst illegalen Geschäften – abbringen. Er fürchteter Konsequenzen, wenn die Wahrheit ans Licht kommt.
"Ich werde nicht lockerlassen", schreibt er an seine Frau 2002, von der er zwei Jahre später geschieden wurde, und droht: "Wenn du weiterhin die Sache verschleppen willst, bin ich gezwungen, alleine zu handeln." Ein Unter-dem-Teppich-kehren werde er nicht dulden. "Zum Glück habe ich dafür gesorgt, dass die Welt erfährt, was hier gespielt wurde, auch wenn ich selbst nicht mehr bin ... Von deinen Helfern lasse ich micht doch nicht einschüchtern." Und er kündigt Gespräche mit der Geschäftsführung der Bank an. Diese bekundet großes Interesse an einem Termin mit Mollath.
Die Ehefrau versucht, so die Aufzeichnungen ihres Mannes, offenbar noch, ihn von seinem Tun abzubringen, das für sie riskant werden könnte. "Du kamst wieder mit Deinem verrückten Angebot: Wenn ich Stillschweigen bewahre, könne ich mit einer halben Million rechnen", hält der Mann fest. Das häusliche Chaos spitzt sich zu. "Wir haben uns heftig gestritten. Sie will nicht aufhören ... Sie geht auf mich los. Tritte und Schläge. Leider wehre ich mich", schreibt der Nürnberger.
Das alles steht in einem dicken Hefter, den Gustl Mollath der Justiz 2003 übergeben hat. In den Entscheidungen der Nürnberger Gerichte und in den Gutachten, die den 56-jährigen in der Folge in die Bayreuther Abteilung für psychisch Kranke Straftäter bringen, wird diese Vorgeschichte praktisch nicht gewürdigt. Sie schenken allein den Angaben von Gustl Mollaths Frau Glauben. Die Staatsanwaltschaft würdigt die Angaben des Mannes, er solle fertiggemacht werden, keines Wortes.
Dem Amtsgericht, wo die Anzeige der Bankerin gegen ihren Mann wegen Körperverletzung 2003 verhandelt wird, legt die Frau das Attest einer Ärztin vor. Diese bescheinigt, dass die Patientin von deren Mann schwer misshandelt worden sei. Das Attest hat sie allerdings fast ein Jahr nach der Untersuchung ausgestellt, zu einer Tat, die Mollath bis heute abstreitet. Obendrein arbeitet in der Arztpraxis eine enge Bekannte der Ehefrau, die auch als Zeugin in dem Verfahren auftritt. Misstrauen erregt das an keiner Stelle. Die Ehefrau sagt vor Gericht laut Protokoll außerdem aus: "Ich glaube einfach, dass mein Mann unter Bewusstseinsstörungen leidet" Um ihren Verdacht zu stützen, übergibt sie die Stellungnahme einer Fachärztin aus dem Erlanger Klinikum am Europakanal, dem Bezirkskrankenhaus. [s. Chronologie P.29]
Sie hat Mollath nie gesehen, geht aber "nach den Schilderungen der Ehefrau" davon aus, dass "der Ehemann mit großer Wahrscheinlichkeit an einer ernstzunehmenden psychiatrischen Erkrankung leidet, im Rahmen derer eine erneute "Fremdgefährlichkeit zu erwarten ist". Es sei unbedingt eine psychiatrische-nervenärztliche Abklärung beim Ehemann anzustreben. Das Gericht kommt dem auch nach. Begutachtet werden soll Mollath zunächst von einem Kollegen der Fachärztin, welche die ungewöhnliche Schnell-Diagnose über Mollath abgab. Dieser leht allerdings ab, weil er sich befangen fühlt. [s. Befangenheitserkärung]
Ein Nachbar habe sich ihm gegenüber abfällig über den Patienten geäußert. Dass dieser Nachbar auch für die HypoVereinsbank als Anlageberater tätig war und seinerzeit engere geschäfltiche Verbindung zu Ehefrau hatte, spielt vor Gericht nie eine Rolle. Der Forensiker empfiehlt einen Kollegen in Bayreuth als Gutachter. Der plädiert bis heute für eine Unterbringung Gustl Mollaths.
Zwischenzeitlich landet er für kurze Zeit [immerhin für über drei Jahre! s. Chronologie P.81] im Straubinger Bezirkskrankenhaus. Der dortige Experte hält 2006 fest, die Schilderungen des Patienten seinen keineswegs "bizarr, völlig unrealistisch oder kulturfremd". Die Kriterien, die für eine schizophrenietypische Wahnidee genannt werden, "sind mit Sicherheit nicht erfüllt". Eine "Betreuungsbedürftigkeit des Herrn Mollath" sei in keiner Weise zu erkennen. [s. Chronologie P.91 und weitere Gegengutachten unter Fachanalysen]
Daraufhin richtet das Regensburger Landgericht auch noch ein "Begleitschreiben" an die Nürnberger Staatsanwaltschaft. Aus Sicht der Regensburger Richter wäre zu überprüfen, heiß es darin, "ob die Unterbringungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen". Auch diese Einschätzung verläuft völlig im Sande. [s. Verfügung StVK]
Das Nürnberger Landgericht ordnet 2006 endgültig die Unterbringung Gustl Mollaths in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Es sieht an der Glaubwürdigkeit dessen damaliger Ehefrau "keinen Zweifel". Der Angeklagte sei im Bereich "Schwarzgeldverschiebungen" in seinem Wahn unkorrigierbar der Überzeugung, dass eine ganze Reihe von Personen aus dem Geschäftsfeld seiner früheren Ehefrau, "diese selbst und nunmehr auch beliebig weitere Pesonen in dieses kompexe System der Schwarzgeldverschiebungen verwickelt wären". Außer dem Erlanger Arzt, der sich für befangen erklärte, wird in dem Urteil aber keine weitere Person namentlich genannt. [s. Urteil 2006-08-08]
Als Beweis für die Allgemeingefährlichkeit ihres Mannes hat die Ehefrau kurz vor Prozessbeginn 2003 bei der Polizei gewarnt, ihr Ehemann besitze zahlreiche Schusswaffen. "Ich befürchte, er könnte sie auch gegen mich einsetzen", sagt sie bei der Zeugenvernehmung. Beamte drangen daraufhin in das Haus des Mannes ein. Gefunden haben sie nichts.
[Zwölf Beamte waren im Einsatz. S. Chronologie P.21, eine weitere Hausdurchsuchung fand 2005 statt. (ohne richterlichen Beschluss) S. P.55]
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(...) Vonseiten der Freien Wähler (FW) und der Grünen war die Ministerin gestern stark unter Druck geraten. Christine Stahl (Grüne), Rechtsexpertin ihrer Fraktion und Landtagsvizepräsidentin, nannte das Verhalten der Justiz unverständlich. Dass die Staatsanwaltschaft bei so gravierenden Vorwürfen wie Schwarzgeldgeschäfte, Insiderhandel, Steuerhinterziehung oder Geldwäsche nicht ermitteln durfte, wie Merk zuvor argumentiert habe, hält Stahl für einen "schlechten Witz".
Auch das von Merk bemühte Argument der Verjährung greife jetzt womöglich nur, weil die Nürnberger Staatsanwaltschaft seinerzeit "wohl auf einem Auge blind" gewesen sei. Der Ministerin wirft die Grünen-Politikerin Versagen und lückenhafte Information des Landtags vor. Im Landtagsplenum werde, sie, Christine Stahl, die Ministerin in einer für den heutigen Mittwoch angesetzten Debatte stellen: "Sie muss uns jetzt sagen, wann die internen Bankakten vorlagen und weslahlb den konkreten Vorrwürfen von Gustl Mollath nicht zeitnah nachgegangen wurde."
Forian Streibl von den Freien Wählern zeigte sich "bestürzt" über den Umgan der Justizministerin mit dem Fall. Die Erkenntnisse, die jetzt bekannt wurden, belegten ganz klar, dass die Vorwürfe des seit Jahren in der Psychiatrie eingesperrten Nürnbergers der Wahrheit entsprächen.
Besonders gravieren sei der Umstand, dass die Staatsanwaltschaft schon seit rund einem Jahr Kenntnis von dem Bank-Bericht hatte und damit mutmaßlich auch die Ministerin. "Das Ganze ist ein Angriff auf den Rechtsstaat von innen", sagt Streibl. Merk sei des Versuchs überführt, den Landtag "offenbar wissentlich täuschen zu wollen".
Mollaths Anzeige [s. Anzeige 2003] vor fast zehn Jahren sei, so der FW-Politiker weiter, trotz konkreter Beweise zu keinem Zeitpunkt auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft worden. Der Mann habe sich auch mehrmals vergelbich an die Staatsregierung gewandt. Damit sei die Spitze der bayerischen Politik über die Schwarzgeldverschiebungen "in vollem Umfang" informiert gewesen.
"Wir reden hier nicht von Ahnunglosigkeit und Unvermögen, wir reden von Vorsatz", meinte Streibl. Er plädierte für die Einrichtung eines Untersuchungsauschusses im Landtag. "Erst dann kann das volle Ausmaß der politischen Einflussnahme und Vertuschung ans Tageslicht befördert werden."
Unabhängig davon forderten die Freien Wähler den Rücktritt von Justizministerin Beate Merk. Noch Ende Oktober habe sie dargelegt, dass die bankinternen Untersuchungen die Vorwürfe Mollaths geade nicht bestätigt hätten. Die Bank selbst hattte in ihrem jetzt bekanntgewordenen Revisionsberich den sie nach Vorwürfen des Nürnbergers in Auftrag gab, bestätigt: "Alle seine nachprüfbaren Behauptungen haben sich als zutreffend herausgestellt." [s. Revisionsbericht der HypoVereinsbank]
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Herr Streibl, wie kommen Sie zu der Einschätzung, die Justizministerin habe ihr Amt schwer beschädigt?
Florian Streibl: Dazu komme ich, weil bei der Staatsanwaltschaft schon seit 2003 brisante Fakten vorliegen. Aber erst 2011, nach einem NN-Bericht, fragt diese bei der HypoVereinsbank (...) schüchtern nach. Und es ist ein Skandal, dass man erst nach so vielen Jahren auf die Idee kommt, die Steuerfahndung einzuschalten. Gleichzeitig unterstellt man Ferdl G. in diesem Zusammenhang sofort Wahnvorstellungen, ohne nachzuprüfen, was an seinen Angaben dran ist. Die HypoVereinsbank selbst hat bekanntlich 2003 sofort aus Ferdl G.'s Angaben Konsequenzen gezogen. Für die waren das, anders als für die Justiz, keineswegs Hirngespinste. Die jetzt vorliegenden Ergebnisse der Steuerfahndung besagen sogar das Gegenteil.
Was ist Ihrer Auffassung nach der Grund für das Verhalten der Justiz?
Streibl: Die Justizministerin hat erst im März im Landtag dargelegt, es habe 2003 keinen hinreichenden Tatverdacht gegeben. Unterschlagen hat sie dabei nicht nur die eidesstattliche Versicherung eines wichtigen Zeugen, sondern auch Namen, Kontoverbindungen, Buchunsanordnungen für Nummernkonten in der Schweiz, Fotos von Schwarzgeldseminaren und andere sehr konkrete Fakten. [s. Anzeige Gustl Mollaths v. 2003-12-09] Wie wir heute wissen, hätte das genügt, um sofort Ermittlungen einzuleiten. Dass dies nicht geschah, ist höchst pflichtwidrig. Ich habe den Verdacht, man hat die Staatsanwltschaft nicht handeln lassen. Möglicherweise gab es entsprechende Weisung, nicht zu ermitteln [s. diesen satirischen Beitrag zum Thema Weisungsgebundenheit der Staatsanwaltschaften].
Was sollte der Grund dafür sein?
Streibl: Momentan kann man darüber nur spekulieren. Jetzt müssen die Tatsachen eben auf den Tisch gelegt werden. Momentan kann man nur vermuten, dass irgendjemanden mögliche Ermittlungsergebnisse vielleicht nicht ins politische Konzept gepasst hätten.
In den vergangen Jahren waren unterschiedliche Gerichte mit dem Fall beschäftigt. Wie erklären Sie sich den Umstand, dass bisher keine Instanz Anstoß am Vorgehen der Staatsanwaltschaft genommen hat?
Streibl: Man hat insgesamt den Eindruck, es soll von dem Kern des Problems, nämlich den Schwarzgeldverschiebungen im großen Stil, abgelenkt werden. Hier scheinen die selben Kräfte am Werk zu sein, die den Ankauf von Steuer-CDs verhindern wollen. In dem aktuellen Fall hätte die Staatsanwaltschaft 2003 losschlagen können. Stattdessen geht sie erst jetzt halbherzig an die Sache ran. Das dient nicht der Steuergerechtigkeit und verursacht volkswirtschaftlichen Schaden. [s. auch Frankfurter Steuerfahnderskandal]
Was wollen Sie im Landtag tun?
Wir verlangen einen lückenlose Aufklärung, warum nicht rechtzeitig gehandelt wurde (...) und was hier möglicherweise vertuscht wurde. Dazu muss Justizministerin Beate Merk im Parlament Rede und Antwort stehen. Wir als Abgeordnete könne es nicht auf uns sitzen lassen, dass man uns im Rechtsausschuss nur die halbe Wahrheit erzählt und die relevanten Dinge unterschlägt. Mit Täuschung und Vertuschung muss es ein Ende haben.
Die Ministerin hat aber betont, es sei alles gesagt.
Streibl: Wir werden mit den neuen Erkenntnissen noch einmal einen Berichtsantrag im Landtag stellen (...). Dazu brauchen wir im Parlament eine Mehrheit. Wenn die nicht zustande kommt, müsste man in Richtung eines Untersuchungsausschusses denken. Es geht mittlerweile nicht nur um den Casus Fedl G., sondern darum, wie schaut es beim Thema Schwarzgeld mit der Integrität der Ministerin und der Justiz aus. Der große Knackpunkt dabei ist: Gab es Weisungen an die Justz aus der Politik. Der Fall G. legt das zumindest nahe.
(...) Überprüft wurden Mollaths Angaben [s. Anzeige v. 2003-12-09] damals freilich nicht. Sie seien für die Strafverfolger von der Staatsanwaltschaft "zu wenig konkret" für Ermittlungen gewesen, erklärt Justizministerin Beate Merk (CSU).
Die Schilderungen des "eigenartigen Verhaltens" Mollaths, dessen "immer weiter steigende Aggressivität" sowie die Misshandlung seiner Frau "beruhen auf der Aussage seiner geschiedenen Ehefrau", heißt es im Urteil des Nürnberger Landgerichtes [s. Urteil 2006-08]. An deren Glaubwürdigkeit hat die Kammer keinen Zweifel: Die Frau habe die Vorfälle "ruhig, schlüssig und ohne jeden Belastungseifer" vorgetragen.
Edward Braun vermag das nicht zu beurteilen, er hat das Verfahren nicht verfolgt und nach eigener Darstellung auch gar nichts davon gewusst. Aber er erinnert sich an ein Telefonat mit der Frau, die damals noch Mollath hieß, das die Dinge möglicherweise in einem ganz anderen Licht erscheinen ließe. In diesem Gespräch soll die damalige Ehefrau Molahs gesagt haben: Sollte ihr Mann die Schwarzgeldverstrickungen anzeigen, dann mache si ihn fertig. Und sie soll gesagt haben: "Der ist doch irre, den lasse ich auf seinen Geisteszustand überprüfen, dann hänge ich ihm was an, ich weiß auch wie." Braun hat diese Aussage im November 2011 als Eidesstattliche Versicherung [s. EV Braun] an Justizministerin Merk und die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth geschickt.
Diese bestätigt den Eingang. Man habe, sagt Sprecherin Antje Gabriels-Gorsolke, das Schreiben von Edward Braun als "Antrag auf Wiederaufnahme behandelt". Dafür sei im Fall der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth die Justiz in Regensburg zuständig. Diese habe den Antrag inzwischen als unzulässig verworfen, schon weil er die formalen Voraussetzungen nicht erfülle. (...)
(...) Man könne durchaus den Eindruck bekommen, "dass diesem Mann geradezu seelische Folter angetan wird", sagt die Ärztin im SZ-Gespräch. Mollath werde "völlig im Ungewissen gelassen", ob er noch mal ein Leben außerhalb einer geschlossenen Psychiatrie führen könne.
(...) Eine anhaltende Gemeingefährlichkeit so die Auffassung der Ärztin, habe "von verschiedenen Medizinern und Juristen" und auch von ihr selber "nicht festgestellt" werden können. Wie mit Mollath umgegangen werde, erscheine ihr "unbillig und ungerecht". Man könne den Eindruck gewinnen, es solle "etwas nicht auf- und abgeklärt werden", und Mollath solle "aus der Öffentlichkeit" auf unbestimmte Zeit verschwinden". Im Laufe ihrer 30-jährigen Tätigkeit als Ärztin habe sie sich mit "den unmöglichsten Situationen konfrontiert" gesehen. Doch eine Situation wie diese sei ihr "noch nicht begegnet". (...) [s. Schreiben von Dr. Fick im Wortlaut]
Permalink(Bisher ist bei den Nürnberger Nachrichten kein Artikel zum Thema Mollath online gestellt, deshalb wird der Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
Dr. Maria E. Fick, frühere Vize-Prädidentin der Kammer, hat in ihrer Funktion als Menschenrechtsbeauftragte der Organisation einen Brief an Justizministerin Merk (CSU) geschickt.
(...) Fick teilt in ihrem Schreiben [s. Schreiben von Dr. Fick im Wortlaut] der Ministerin mit, dass sie von Ferdl G. vor einigen Monaten gebeten wurde, sich für ihn einzusetzen. Die Medizinerin hat sich mit ihm getroffen und sich die Akten angeschaut. "Dabei sind mir Unstimmigkeiten aufgefallen."
So würden, heißt es im Brief, die psychiatrischen Gutachten keine "eindeutige, einheitliche Diagnose" ergeben, die eine langjährige Unterbringung in der Forensik mit unbestimmeter Dauer rechtfertigen würde. Außerdem habe eine anhaltende Gemeingefählichkeit "von verschiedenen Medizinern und Juristen und auch von mir" nicht festgestellt werden können. "Unbillig und ungerecht" sei der "unbestimmt langfristige Freiheitsentzug" vor allem, weil die von Ferdl G. angezeigten Vorwürfe der Schwarzgeldtransfers in die Schweiz "nicht abgeklärt und nicht geahndet" wurden.
Die Würde des Nürnbergers wurde "in all den Jahren mit Aufenthalten in der Forensik mit teils Schwerstverbrechern, primitiven und real psychisch kranken Menschen mit Füßen getreten", betonte die Ärztekammer-Funktionärin. Sein Leben sei mehr oder weniger zerstört, weil "mögliche Gefälligkeitsgutachten" den Vorzug bekamen. Sie, Dr. Fick, werde versuchen, die Expertisen prüfen zu lassen, "denn Gutachten dieser Art sind nach unserer ärztlichen Berufsordnung strafbar". (...)
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(Bisher ist bei den Nürnberger Nachrichten kein Artikel zum Thema Mollath online gestellt, deshalb wird der Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
SPD, Freie Wähler und Grüne reagiereten mit ihrer Erklärung auf die jüngste Entwicklung in dem Fall. [s. Artikel von 2012-10-29] Es war bekannt geworden, dass Steuerfahnder jetzt aufgrund der fast zehn Jahre alten Angaben von Ferdl G. gegen mögliche Steuersünder ermitteln.
Dagegen glaubt die Nürnberger Staatsanwaltschaft dem Ingenier bis heute nicht. Oberste Dienstherrin der Jaustizbehörde ist die Ministerin. Ferdl G. sitzt seit Jahren in der Psychiatrie, weil ihm Gutachter und Gerichte immer wieder den Wahn attestierten, sich vom Bankensystem verfolgt zu fühlen. Auf ihren Wahreitsgehalt überprüft wurden seine detaillierten Stellungnahmen dort bisher nicht.
Im März musste Beate Merk auf Initiative der Opposition den Abgeordneten des Rechtsausschusses bereits Rede und Antwort stehen. Sie verteidigte das Vorgehen dabei vehement. Florian Streibl (FW) spricht in der gestrigen Erklärung nun von einem "Justizskandal ungeheurem Ausmaßes". Wie inzwischen sowoh bankinterne Untersuchungen als auch die Ermittlungen der Steuerfahndung ergeben hätten, seien die Schwarzgeldverschiebungen zahlreicher Kunden der Nürnberger HypoVereinsbank "offenbar alles andere als Wahnvorstellungen".
Dies, so Streibl, werfe im Hinblick auf die Aussagen der Justizministerin "etliche Fragen auf". Warum wurden die konkreten Angaben von Ferdl G. von der Justiz nicht überprüft? Darauf wollen die Abgeordneten jetzt eine Antwort haben. "Ob aus Unfähigkeit oder Vorsatz – die Wahrheit gesagt hat die Ministerin offenssichtlich nicht", betonte Inge Aures von der SPD, neben Streibl eine der Initiatoren der Debatte im Landtag. Zu ihnen gehört auch Landtagsvizepräsidentin Christine Stahl (Grüne). Sie kritisierte jetzt, Merk habe noch im Frühjahr von einem "Sammelsurium ohne Beweiswert" gesprochen, das Ferdl G. vorlegte,die konkreten Hinweise in diesen Unterlage habe die Ministerin in iher Aufzählung aber "offensichtlich geflissentlich unter den Tisch fallen lassen" [Anmerkung d. R.: Mit "Sammelsurium" bezog sich die Ministerin auf eine umfangreiche Verteidigungsschrift von Gustl Mollath und verschwieg damit die eigentlichen Anzeigen von Gustl Mollath wie diese hier].
Die drei Fraktionen der Opposition fordern Beate Merk auf, "schleunigst für eine wahrheitsgemäße Aufklärung im Fall G. zu sorgen" Weiter heißt es: "An so viel Unfähigkeit möchte man hier kaum glauben".
Beate Merk wies die Vorwürfe in aller Schärfe zurück: "Ich habe umfassend informiert." Sie sprach von durchsichtigen parteipolitischen Motiven für die Angriffe gegen sie.
(Bisher ist bei den Nürnberger Nachrichten kein Artikel zum Thema Mollath online gestellt, deshalb wird der Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
Der Fall Ferdl G. ist eine menschliche Tragödie und offenbart eine unerklärliche Untätigkeit der Staatsanwaltschaft. Justitia wird gelegentlich mit Augenbinde dargestellt – aber doch nicht, weil sie die Augen verschließen, sondern weil sie ohne Ansehen der Person urteilen soll.
Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz am Finanzamt vorbei sind nun wirklich keine Delikte ferner Galaxien. Auch der Freistaat hat am Ankauf von CD's mit Bankdaten von Steuerkriminellen gut verdient. Diese Informationen brachten samt freiwilliger Nachzahlungen aufgeschreckter Betrüger immerhin mehr als eine halbe Milliarde Euro in die Kasse von Finanzminister Markus Söder. Und das nicht etwa über einen langen Zeitraum, sondern seit 2010.
Bayern will nun aus dem Daten-Geschäft aussteigen. Regierungschef Horst Seehofer (CSU) hatte kürzlich versichert, auf solche Methoden nicht angewiesen zu sein. Man habe genug Steuereinnahmen, man müsse nichts zusammenkaufen. (...)
Die Schwarzgeld-Debatte hat also durchaus auch eine politische Dimension, die unabhängig vom Einzel-Schicksal Ferdl G.'s eine Rolle spielt. Der Nürnberger hat eine Fülle von Fakten genannt [s. Anzeige an den Generalstaatsanwalt], die er nicht etwa zum Kauf anbot, sondern den Behörden auf den Präsentierteller legte. Und die Staatsanwaltschaft rührte sie jahrelang nicht an.
Dafür muss es eine einleuchtendere Erklärung geben als den lapidaren Hinweis: Das war uns zu unkonkret. Sowohl für die fragliche Bank als auch für die Steuerfahnder waren die Hinweise sehr konkret.
Justizministerin Beate Merk ist von der Debatte im Landtag keineswegs überrascht worden. Seit Jahren ist sie mit der Angelegenheit vertraut, weil sich unterschiedliche Personen wegen des Falls Ferdl G. an sie wandten. Ahnungslos war sie also nicht, als sie im März im Landtag Auskunft darüber gab. Sie tat das aber mit einem solch einseitigen Eifer, dass die Nachfrage der Oppositionsparteien ihre Berechtigung haben. Auf die Antworten darf man gespannt sein.
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(Bisher ist bei den Nürnberger Nachrichten kein Artikel zum Thema Mollath online gestellt, deshalb wird der Artikel hier in Auszügen dokumentiert und [kommentiert]):
(...) Ein Fahndungsprüfer des Finanzamtes hat den Steuerberatern eines der zahlreichen Bankkunden, die Ferdl G. (Name geändert) damals auflistete, vergangenen Juli ein Schreiben zugesandt. Der Ton des Briefes, der den NN vorliegt, ist unmissverständlich. Nach Erkenntnissen der Behörde "hat bzw. hatte Ihr Mandant Kapitalanlagen in der Schweiz", heißt es dort. Dies betreffe auch weitere Personen. "Dabei hat sich gezeigt, dass die vorliegenden Erkenntnisse in mehreren Fällen zufteffend waren", teilt der Beamte mit.
Es sei nun "leider nicht mehr möglich, die bloße Verneinung derartiger Kapitalanlagen" zu akzeptieren. Der Fahnder verlangt Bescheinigungen von sieben namentlich genannten Schweizer Banken. Sie sollen "verbindlich erklären, dass dort in den Jahren 2000 bis 2010 keine Konten, Depots, Schließfächer oder Verwahrstücke vorhanden waren."
Insbesondere sollen sie bestätigen, dass der Mann keine Nummernkonten mit Decknamen wie "Pythargoras", "Klavier 2285" oder "Seligenstadt 2986" unterhalten habe. Das alles sind Details und Fakten, die Ferdl G. bereits vor fast zehn Jahren der Nürnberger Staatsanwaltschaft zukommen ließ. Damals erkannte diese nicht einmal einen "Prüfungsansatz" für Ermittlungen.
Dass das Finanzamt heute tatsächlich aufgrund des früheren Materials [siehe eine von mehreren Anzeigen Gustl Mollaths an den damaligen Generalstaatsanwalt] von Ferdl G. aktiv wurde, bestätigt der Nürnberger Rechtsanwalt Heinrich Schnell, der den Mann im Visier der Steuerfahnder vertritt. Der Anwalt hat den seit Jahren im Bayreuther Bezirkskrankenhaus einsitzenden Ferdl G. schriftlich "klipp und klar" aufgefordert zu erklären, "dass Sie keinen konkreten Anhaltspunkt haben, entsprechende Behauptungen aufzustellen". Ein vorbereitetes Schriftstück ist zur Unterschift gleich beigefügt.
Unterzeichnet hat es Ferdl G. nicht. Ob Schnell nun wirkich "gerichtliche Hilfe" in Anspruch nimmt, wie er ankündigte, ist seinen Angaben zufolge noch offen. Die Ferdl G. für Ende August gesetzte Frist ist längst abgelaufen. Dabei bestätigte der Anwalt auf Anfrage, dass keine der vom Finanzamt aufgeführten Schweizer Banken bereit war, die verlangte Negativbescheinigung für seinen Mandanten auszustellen. "Das kann ich nicht nachvollziehen".
(...) Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Nürnberger Justizbehörde, erkärte, man habe eine Stellungnahme der betroffenen Bank – es handelt sich um die HypoVereinsbank in Nürnberg – zur weiteren Prüfung an die Finanzbehörden weitergeleitet. Angeschrieben und um einen Bericht gebeten habe man die Bank nach "Medienberichten". Die Staatsanwaltschaft selbst sieht bis heute weiter keinen Anhaltspunkt, ein Verfahren einzuleiten [siehe Wikipedia: Weisungsgebundenheit der deutschen Staatsanwaltschaften]
Gabriels-Gorsolke bezieht sich auf eine Anfrage der NN, die sich ausschließlich auf Unterlagen stützt, die auch der Justiz seit fast zehn Jahren vorliegen. Vor knapp einem Jahr hatte die HypoVereinsbank-UniCredit Group unserer Zeitung mitgeteilt, "Schreiben" von Ferdl G. im Jahr 2003 "hatten damals zu internen Untersuchungen geführt". Es sei festgestellt worden, dass sich Mitarbeiter "im Zusammenhang mit Schweizer Bankgeschäften ... weisungswidrig verhalten haben". Es seien aus diesem Grund seinerzeit auch Beschäftigte entlassen worden.
Zu den früheren HypoVereinsbank-Mitarbeitern gehörte auch die damalige Frau von Ferdl G. Das Paar ist längst geschieden. Wie Briefe aus den Jahren 2002 und 2003 belegen, hatte der Nürnberger Ingenieur von seiner Ehefrau eindringlich verlangt, die Finger von den seiner Meinung nach illegalen Millionen-Geschäften zu lassen [auch hatte er als dies nicht fruchtete die Bankchefs gebeten die Aktivitäten seiner Frau zu stoppen – s. Briefwechsel mit der Bank]. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung zeigte sie ihn wegen Körperverletzung an und brachte erstmals Zweifel am Geisteszustand von Ferdl G. ins Spiel.
Gutachter bescheinigten ihm in der Folge tatsächlich eine schwere psychische Störung und als eine Gefahr für die Allgemeinheit. Diese Beurteilungen sind heute unter Experten höchst umstritten [s. Fachanalysen]. Obwohl Ferdl G. die Tat abstritt, glaubten die Gerichte der Frau, bestraften den Mann aber nicht für die Attacken gegen sie und wegen anderer Vergehen, die ihm zur Last gelegt wurden, sondern ließen ihn in der forensischen Psychiatrie unterbringen. Dort sitzt er bis heute. Erst vor einem halben Jahr bestätigte ein Bayreuther Gericht diese Entscheidung erneut.
Nicht berücksichtigt wude bisher unter anderem eine eidesstattliche Erkärung [hier im Faksimile] eines gemeinsamen Freundes des einstigen Paares. Auch ihm, einem wohlhabenden Zahnarzt, habe Frau G. angeboten, Geld an der Steuer vorbei in der Schweiz anzulegen. Sie habe sich dann während des zwischen den Eheleuten tobenden Streits gemeldet und, so versichert der Arzt, ihm gegenüber klargestellt: "Wenn der Ferdl meine Bank und mich anzeigt, mache ich ihn fertig, Ich habe gute Beziehungen. Dann zeige ich ihn auch an, das kannst du ihm sagen. Der ist doch irre, den lasse ich auf seinen Geisteszustand überprüfen."
Der Fall Ferdl G. beschäftigte im Frühjahr den [Bayerischen] Landtag [s. Bericht vom dortigen Verfassungsausschuss]. Beim Bundesverfassungsgericht liegt eine Beschwerde von G. gegen seine Unterbringung. Entschieden ist darüber noch nicht.
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Ferdl G. mag ein manchmal verstörender Mensch mit ausschweifenden Weltrettungsgedanken sein. Auch ein ausgeprägter Hang zum (...) Wichtigtuer ist bisweilen erkennbar. Wären dies allein allerdings Kriterien, jemanden jahrelang in die Psychiatrie einzusperren, die Krankenhäuser wären vermutlich heillos überfüllt.
Für Taten, für die er angeklagt war, etwa die häusliche Gewalt gegen seine Frau oder Sachbeschädigungen, hätte er er wie jeder andere verurteilt werden können. Aber selbst wenn er sie begangen hat – er streitet das bis heute ab – ist mehr als fraglich, ob er dafür ins Gefängnis gekommen wäre. Auf keinen Fall wären es sechs Jahre geworden, ohne Aussicht zu einem konkreten Zeitpunkt freigelassen zu werden. So sitzt Ferdl G. seit 2006 in der Bayreuther Forensik [insgesamt seit 2004 mit Unterbrechungen in bayerischen BHK‘s s. Chronologie].
Möglich ist das, weil ihm Gutachter immer wieder den krankhaften und allgemeingefährlichen Wahn attestiert haben, er fühle sich von Beteiligten am Bankensystem verfolgt. Ob die Fakten, die selbst in seiner (...) Anzeige aus dem Jahr 2003 [siehe eine von mehreren Anzeigen Gustl Mollaths] bei der Justiz klar zu erkennen waren, tatsächlich reine Hirngespinste einer gestörten Persönlichkeit waren, ist bisher nie überprüft worden.
Jetzt stellt sich heraus, dass die Justiz jahrelang zu wenig Fragen gestellt hat. Das, was sie jetzt schüchtern wenigstens bei der Bank getan hat, wäre in größerem Ausmaß längst überfällig gewesen, will man nicht das Risiko eingehen, dass mögliche Steuerdelikte strafrechtlich verjähren.
Bis heute wird gerade die strikte Weigerung von Ferdl G. sich in der geschlossenen Psychiatrie behandeln zu lassen, sein Beharren auf Darstellungen, die sich jetzt keineswegs als ganz und gar kranke Phantasien herausgestellt haben, als Beleg für eine schwerwiegende Erkrankung gewertet.
Die amtlich bestellten Gutachter gehen sogar so weit zu sagen, es kommt gar nicht mehr auf den Wahrheitsgehalt seiner Angaben an. Das irritiert nicht nur anerkannte und erfahrene Psychiatrie-Experten.
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(...) Landtag und Justizministerium werden sich nicht in den Fall des seit sechs Jahren gegen seinen Willen in der Psychiatrie untergebrachten Nürnbergers Gustl Mollath einmischen. Justizministerin Beate Merk (CSU) erhielt am Donnerstag im Rechtsausschuss Unterstützung von der eigenen Fraktion sowie von SPD und FDP. Merk verwies darauf, dass sich mehrere Gerichte bis hin zum Bundesgerichtshof mit dem Fall beschäftigt haben. "Ich habe die Justiz nicht zu kritisieren", sagte sie nach der Sitzung. Der Vorsitzende des Rechtsausschusses, Franz Schindler (SPD) äußerte sich noch wesentlich kräftiger: "Es gibt nicht den Hauch eines Anfangsverdachts, dass die Psychiatrie hier missbraucht wurde".
Mollath sitzt seit 2006 im Bezirkskrankenhaus Bayreuth und hat im Internet eine Unterstützerkampagne gestartet, um seine Freilassung zu erreichen. Auf seiner Internetseite läuft sogar ein Ticker: "Gestohlene Lebenstage: 2201" (Stand gestern) steht dort. Den Fall hatte der prominente Stauß-Kritiker und ehemalige hohe Beamte im Finanzmisterium, Wilhelm Schlötterer, publik gemacht.
Grund der Einweisung von Mollath war laut Urteil des Landgerichts Nürberg-Fürth gefährliche Körperverletzung. Mollath soll seine damalige Frau schwer misshandelt haben, was er bis heute bestreitet. Das Gericht schloss damals Verfolgunswahn nicht aus, sprach ihn wegen Schuldunfähigkeit frei und ließ ihn wegen angeblicher Gefährlichkeit ins Bezirkskrankenhaus einweisen.
Parallel zu diesem Strafverfahren wegen Körperverletzung hatte Mollath in einer Anzeige seine damalig Frau und die HypoVereinsbank beschuldigt, an Schwarzgeldgeschäften in der Schweiz beteiligt zu sein. Die Staatsanwaltschaft fand dafür keine Belege [siehe eine der vielen Anzeigen von Gustl Mollath], die Bank bei einer Revision auch nicht . Allerdings wurde seine Frau wegen nicht näher erläutertem "weisungswidrigem" Verhaltens [siehe Chronologie P. 54] entlassen. (...)
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Die Debatte über die umstrittenen Entscheidungen in dieser Angelegenheit war nach einem Dringlichkeitsantrag der Freien Wähler (FW) im Plenum des Landtags in den Ausschuss verwiesen worden (...) Dort ging es gestern um das Verhalten der Staatsanwaltschaft, die einer Anzeige von Ferdl G. (...) wegen angeblicher Schwarzgeldverschiebungen der HypoVereinsbank seinerzeit nicht nachgegangen war. Die psychiatrischen Gutachten spielten im Ausschuss keine Rolle.
In ihrer Stellungnahme vor den Abgeordneten betonte Ministerin Merk, alle Behauptungen, der Nürnberger Ingenieur sei weggespert worden, weil er illegale Bankgeschäfte angezeigt habe, seien völlig absurd. Ferdl G. sei psychisch krank, habe seine Frau misshandelt, weitere Straftaten begangen und stelle nach Gerichtsentscheidungen eine Gefahr für die Allgemeinheit dar.
"Die Ministerin hat umfangreich auch über die Vorgeschichte des Falles berichtet, und es gibt für uns keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Mann ein unschuldiges Justizopfer ist", sagte Franz Schindler (SPD) nach der Sitzung gegenüber den NN. Der Abgeordnete (...) ist Vorsitzender des Verfassungsausschusses.
Die Angaben von Ferdl G. in seiner damaligen Anzeige nannte Schindler "unkonkret" [siehe Chronologie P. 28 und eine der vielen Anzeigen von Gustl Mollath]. Wenn man alle gegebenen Umstände betrachte, habe es durchaus Anlass dafür gegeben, den Nürnberger psychiatrisch untersuchen zu lassen. Im Übrigen "ist es nicht Aufgabe des Landtags, Gerichtsurteile zu überprüfen".
Florian Streibl (FW), der sich als Parlamentarischer Geschäftsführer seiner Fraktion sehr dafür eingesetzt hatte, die Geschichte um Ferdl G. im Parlament zu behandeln, übte Kritik an Schindlers Diskussionsführung im Ausschuss. "Die war der vollen Aufklärung eher hinderlich", meinte Streibl auf Anfrage. Der SPD-Mann sei seinen eigenen Fraktionskollegen in den Rücken gefallen. "Der hat ihnen regelrecht das Wort abgeschnitten und sie mit ihrer Argumentation überhaupt nicht zur Entfaltung kommen lassen".
Die Freien Wähler wollen nun das schriftliche Protokoll mit den Äußerungen der Ministerin nach Widersprüchen unter die Lupe nehmen. Offen ist für Streibl vor allem die Frage, wann die Ministerin mit dem Fall persönlich befasst war und wie sie reagierte.
Für Christine Stahl (Grüne) steht nach der Debatte im Landtagsauschuss weiter "Aussage gegen Aussage". Die Ministerin sei zu Beispiel nicht darauf eingegangen, dass in der Vergangenheit ein Gericht in Regensburg die Betreuung von Ferdl G. aufgehoben und die Notwendigkeit seiner Unterbringung deutlich in Frage gestellt hat. [siehe Chronologie P. 50] "Ich hoffe, wir bekommen noch mehr Klarheit", sagte die Abgeordnete mit Blick auf die Beschwerde von Ferdl G. beim Bundesverfassungsgericht und die erneute juristische Überprüfung seinen Aufenthalts in der Psychiatrie im Juni".
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Autor des Schreibens ist Professor Klemens Dieckhöfer, der nach eigenen Angaben selbst jahrzehntelang forensische Gutachten für Gerichte angefertigt hat. Der Fall Ferdl. G. (...) wir am morgigen Donnerstag im Landtagsauschuss behandelt. (...)
Die bisherigen offiziellen Gutachten hätten in Fachkreisen "höchstes Erstaunen" ausgelöst, sagte Dieckhöfer auf Anfrage zu seiner Motivation. Er habe derartige "Verbiegungen" in wissenschaftlichen Gutachten von Kollegen noch nicht erlebt. Dabei handelt es sich um einen Fachmann des Bayreuther Bezirkskrankenhauses, wo Ferdl G. seit Jahren einsitzt, und um einen Professor der Uni-Klinik in Ulm, der sich (...) erst vor einem Jahr für die weitere Unterbringung von Ferdl G. ausgesprochen hatte.
Das Urteil von Dieckhöfer fällt hart aus. Das Gutachten aus Bayeuth sei "unwissenschaftlich" und stelle in seiner "diagnostischen Zuordnung ein Falsch- bzw. Gefälligkeitsgutachten" dar. Gleiches gelte für die Beurteilung aus Ulm. Dieses "verbiegt wissenschaftlich fundiertes Denken".
Wie mehrfach berichtet, hate Ferdl G. vor etwa zehn Jahren im Streit mit seiner damaligen Ehefrau, früher Mitarbeiterin der HypoVereinsbank in Nürnberg, angebliche Schwarzgeldverschiebungen großen Stils in die Schweiz angezeigt. Im Laufe der Auseinandersetzung der Eheleute hat sie ihn unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung angezeigt. Ferdl G. wurde damals wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und in die Psychiatrie eingewiesen, weil er dem Wahn unterliege, Opfer des Bankensystems zu sein, und weil er ein krankhaftes Gedankensystem entwickelt habe. Außerdem gehe von ihm eine Gefahr für die Allgemeinheit aus.
Dieckhöfer moniert, es sei "mit keinem Sterbenswörtchen recherchiert" worden, was an den Vorwürfen von Ferdl G. dran ist. Jede gründliche Erörterung der Vorgeschichte einer angeblichen Erkrankung sei "in geradezu unverständlicher Weise unterlassen worden". Keine der Diagnosen aus Bayreuth könne deshalb als stichhaltig gelten. Einige Behauptungen in dem Gutachten sind aus Sicht des Bonner Wissenschaftlers "geradezu grotesk", andere Stellen nennt er "hilfloses Wortgeplänkel", um dem Gutachten einen "pseudowissenschaftlichen Anstrich" zu geben.
Der Ulmer Professor wiederum stelle, so Dieckhöfer, "bisheriges wissenschaftliches Denken in der Psychiatrie offenslichtlich bewusst auf den Kopf". Der Experte hatte unter anderem festgestellt: "Das reale Geschen spielt lediglich eine untergeordnete Rolle". Die Gedanken von Ferdl G. kreisten "um einen fernen Punkt von Unrecht". Dies sei der eigentliche "Kristallisationspunkt der wahnhaften Störung". Der Bonner Kritiker nennt solche Äußerungen eines psychiatrischen Gutachters "groben Unsinn".
Dass sich Ferdl G. seit Jahren gegen eine Behandlung zur Wehr setzt und jede Zusammenarbeit mit den Ärtzen verweigert, sei "aus wissenschaftlicher Sicht keinerlei Wahn". Man habe jede objektive Urteilsfindung vermieden und sich "zum Befehlsempfänger offensichtlich vorgegebener Strukturen gemacht, die außerhalb jeglicher wissenschaftlicher Kategorie liegen". Die beiden attackierten Mediziner wollten sich zu den Vorwürfen nicht äußern.
Das Schreiben Dieckhöfers hat auch Ministerin Merk bekommen, wie das Justizministerium bestätigte. Sie werde sich aber vor der Sitzung im Landtag nicht dazu äußern.
Die Unterbringung von Ferdl G. wird (...) wieder im Juni überprüft. Dazu wird das Bezrikskrankenhaus Bayreuth gegenüber der Saatssanwaltschaft erneut eine aktuelle Stellungnahme über den Zustand des Mannes abgeben. Dann entscheidet eine sogenannte Vollstreckungskammer, ob er weiter zwangsweise untergebracht werdern muss.
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Wie mehrfacht berichtet, hatte Ferdl G. (...) vor fast zehn Jahren angebliche Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz angezeigt. Gewusst haben will er davon über seine damalige Ehefrau, die bei der HypoVereinsbank beschäftigt war. Sie hat später die zwangsweise Unterbringung von Ferdl G. angestoßen. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung zeigt sie ihren damaligen Mann wegen schwerer Körperverletzung an und betrieb die Untersuchung seines Geisteszustandes. Außerdem wurde dem Mann zur Last gelegt, Autos von Bekannten seiner Frau beschädigt zu haben.
Wegen Schuldunfähigkeit aufgrund einer Geisteskrankheit wurde Ferdl G. 2006 freigesprochen und in die Psychiatrie eingewiesen. Er habe, so die bestellten Gutachter, ein paranoides Gedankensystem sowie den allgemeingefährlichen Wahn entwickelt, Opfer des Bankensystems zu sein.
Gegen die bisherigen Entscheidungen des Oberlandesgerichts Bamberg und des Landgerichts Bayreuth in diesem Fall hat die (...) Rechtsanwaltskanzlei Hiddemann/Kleine-Cosack aus Freiburg nun Verfassungsbeschwerde eingelegt [s. Verfassungsbeschwerde]. Andere Rechtsmittel sind bereits ausgeschöpft.
Michael Kleine-Cosack, der Anwalt von Ferdl G., argumentiert, dass die Justiz zwei Gutachten, die dem Nürnberger geistige Normalität und Ungefährlichkeit bescheinigen, bisher außer Betracht gelassen habe. Wie Recherchen der NN jetzt ergeben haben, hat eines dieser Gutachten [s. Chronologie P.91] dazu geführt, dass ein Regensburger Gericht – der Mann war damals noch in der Straubinger Psychiatrie untergebracht … bereits 2007 ein amtliches Betreuungsverfahren einstellte. An die federführende Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth erging zudem die Mitteilung, aus Sicht der dortigen Richter "wäre zu prüfen, ob die Unterbringungsvoraussetzungen weiterhin vorliegen".
Der Freiburger Anwalt bemängelt zudem die Arbeit eines für das Verfahren maßgelichen Sachverständigen [s. Chronologie P.93], der zunächst nur von der bloßen "Möglichkeit" weiterer Taten von Ferdl G. gesprochen hatte. Erst auf Hinweis des damaligen Anwalts, dies reiche nicht für eine weitere Unterbringung in der Psychiatrie, sei der Gutachter "ohne jede Begründung" plötzlich von einer "sehr hohen "Wahrscheinlichkeit" solcher Taten ausgegangen.
"Dieser Wechsel ist willkürlich und muss Zweifel an Sachkunde un Neutraltität aufkommen lassen", schreibt der Jurist in seiner Beschwerde, die der Redaktion vorliegt. Gleiches gelte für die Expertenmeinung, dach der es gar nicht wichtig sei, ob der Wahn einen Realitätsbezug habe oder nicht. Diese Haltung hatte in der Vergangenheit auch das bayerische Justizministerium eingenommen. "Das ist schlicht falsch".
Entsprächen Vorstellungen der Realität, so Kleine-Cosack, könne gerade nicht von einem Wahn gesprochen werden. "Von Staatsseite wurde dies bezeichnernderweise nie geprüft". Die Staatsanwaltschaft habe dies sogar mehrfach ausdrücklich verweigert. Mittlerweile liegen etliche Stellungnahmen vor, nicht zuletzt von der HyopVereinsbank selbst, welche die Vorwürfe von Ferdl G. stützen (...). Landgericht und Oberlandesgericht hätten, so der Anwalt, nicht erkannt, dass sein Mandant allein für die Verantwortlichen der Bank und deren Schwarzgeldkunden "gefährlich" war, nicht aber für andere Personen. Eine Unterbringung in einer psychiatrischen Anstalt könne dies nicht rechtfertigen.
Unverhältnismäßig sei die Unterbringung, weil Ferdl G. "bis zu seinem Fehlverhalten ein tadelloses Leben geführt hat". Die Körperverletzung der Ehefrau vor fast zwölf Jahren wurde damals mit einem Strafbefehl von tausend Euro geahndet. Nur weil Ferdl G. die Summe mit der Begrüdung nicht bezahlt hatte, er sei unschuldig, kam es überhaupt zu einer Verhandlung.
Die Beschädigung von Autos rechtfertige "erst recht nicht die weitere Unterbringung", argumentiert der Anwalt. Die Taten stünden in keinem Verhältnis zu dem damit verbunden "lebensvernichtenden Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit der Person", heißt es in der Beschwerde. Verfassungskonform hätte dem 55-jährigen die Möglichkeit gegeben werden müssen, sich unter Auflagen in Freiheit zu bewähren.
Die Beschwerde [s. Verfassungsbeschwerde] wird nun vom Verfassungsgericht geprüft. Eine Entscheidung darüber wird dann (...) von einer der sechs Kammern oder einem der beiden Senate getroffen. Wann das sein wird, ist völlig offen.
Wolfgang Träg, Sprecher der Staatsanwaltschaft bestätigte (...) unserer Zeitung, dass seine Behörde am Mittwoch einen Brief an die Bank abgeschckt hat. Darin werde "zeitnah" um die Beantwortung einer Reihe von Fragen gebeten. (...)
Anlass für die Aktivitäten ist, so der Sprecher, eine Stellungnahme der Zentrale der HypoVereinsbank in München gegenüber den Nürnberger Nachrichten vor fünf Wochen (...) Darin hieß es "diverse Schreiben" von Ferdl G. (Name geändert) hätten schon damals zu internen Untersuchungen geführt. Dabei habe man festgestellt, dass sich Mitarbeiter im Zusammenhang mit Schweizer Bankgeschäften "weisungswidrig" verhalten haben.
Die Verantwortlichen der Bank haben daraufhin bei mehreren Mitarbeitern "persönliche Konsequenzen" gezogen. Auch die Frau von Ferdl G. war "Mitarbeiterin unf für die Betreuung von Privatkunden zuständig" Ob sie an umstrittenen Machenschaften beteiligt war, lässt die Bank in ihrer Erklärung offen. Der 55-jährige Ingenieur aus Nürnberg will mitbekommen haben, wie seine Frau über Jahre Schwarzgeld in Millionenhöhe für Bankkunden mit der Absicht in die Schweiz brachte, Steuern zu hinterziehen. Als sie sich von ihm, ihrem damaligen Mann, nicht von ihrem Tun habe abbringen lassen, zeigt er die Hypo-Vereinsbank bei der Staatsanwaltschaft an. Er nannte dabei eine Reihe von Details und führte etliche Namen auf.
Die Nürnberger Anklagebehörde sah – anders als die Bank selbst – damals nicht einmal einen "Prüfungsansatz", der Ermittlungen rechtfertigen könnte. Unter den neuen Gegebenheiten sieht die Staatsanwaltschaft das jetzt anders.
In der Psychiatrie landete Ferdl G. vor fast sechs Jahren, weil ihn seine damalige Frau in dem Streit wegen Körperverletzung angezeigt hatte und ihn auf seinen Geisteszustand überprüfen lassen wollte, was auch geschah. Erst im vergangenen Sommer hatte ein gemeinsamer Bekannter des früheren Ehepaares G. erklärt, auch ihm habe die Frau angeboten, eine Summe ab 100.000 € in die Schweiz zu bringen und ihn eindringlich gebeten auf ihren Mann, Ferdl G., einzuwirken. "Wenn Ferdl mich und meine Bank anzeigt, mache ich ihn fertig. Ich habe gute Beziehungen", soll sie dem Bekannten, so dessen Beteuerung, unmissverständlich angekündigt haben.
(...) Auf Antrag der Freien Wähler (FW) und der SPD beschäftigte sich gestern das Landtagsplenum mit der Angelegenheit. Die FW-Fraktion sieht einen "handfesten Justizskandal" heraufziehen.
Justizministerin Beate Merk (CSU) hat im Maximilianeum jede Spekulation entschieden zurückgewiesen, Ferdl G. könnte zu unrecht eingesperrt sein. "In einem Rechsstaat wird keiner willkürlich untergebracht, weil er Strafanzeige erstattet", sagte sie. Die Ministerin verwies auf die bisherigen Gerichtsurteile durch alle Instanzen und schilderte ausführlich die Taten von Ferdl G. gegenüber seiner Frau, wegen der er am Ende zwangsweise in der Psychiatrie landete.
Der Landtag stimmt aber fraktonsübergreifend dem Antrag zu, den Fall Ferdl G. im Rechtsausschuss des Parlaments zu behandeln. Dort soll die Staatsregierung über die Hintergründe berichten, wie die Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth mit den Strafanzeigen des heute 55-jährigen umgegangen ist. Das Thema Einweisung in eine forensische Abteilung könne dabei nicht völlig ausgespart werden, hieß es bei Abgeordneten.
PermalinkEs ist gut, dass (...) der Landtag versucht, Licht in den lang vor sich hin schwelenden Fall des Ferdl G. zu bringen. Zu unerträglich ist der immer wieder auftauchende Verdacht, die Justiz habe bei gravierenden Steuerhinterziehungen nicht scharf genug hingesehen … ganz abgesehen von dem Schicksal eines Menschen, der als psychisch kranker Krimineller eingesperrt ist. Natürlich ist die Unterbringung von Ferdl G. in der Psychiatrie ein Verfahren, das getrennt von seiner vorausgegangenen Anzeige wegen Steuerhinterziehung gelaufen ist. Kern aller Gutachten und Gerichtsentscheidungen aber ist der Befund, Ferdl G. unterliege dem krankhaften und allgemeingefährlichen Wahn, Opfer des Bankensystems zu sein. Nur hat bisher niemand geprüft, was an seinen Vorwürfen dran ist. Der Mann lässt manchmal einen schwierigen Charakter erkennen. Sollte sich aber herausstellen, dass er bezüglich der Bank-Geschäfte keineswegs einem Wahn unterliegt, dann muss wohl auch die andere Seite der Medaille neu betrachtet werden. Denn dann läge die Vermutung nahe, dass das Umfeld von Ferdl G. das allergrößte Interesse gehabt hat, seine Aktivitäten (...) zu unterbinden.
Michael Kasperowitsch
2011-12-15 Nürnberger Zeitung: "Fall Mollath beschäftigt nun den Landtag"
(...) "Diverse Schreiben" von Ferdl G. "hatten damals zu einer internen Untersuchung geführt", erklärt ein Sprecher der HypoVereinsbank-UniCredit Group in München auf Anfrage der Nürnberger Nachrichten. Es sei dabei festgestellt worden, dass sich Mitarbeiter in der Vergangenheit "im Zusammenhang mit Schweizer Bankgeschäften, unter anderem mit der AKB-Bank, einer Tochter der damaligen Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank AG, weisungswidrig verhalten haben". Dies habe seinerzeit zu personellen Konsequenzen geführt. Mehrere Mitarbeiter seien entlassen worden, ergänzte der Sprecher auf Nachfrage.
(...) Er bestätigte in seiner Stellungnahme, dass auch die damalige Frau von G. "Mitarbeiterin unserer Bank und für die Betreuung von Privatkunden zuständig war" (...)
Der Nürnberger hatte seinerzeit behauptet, er habe seine Frau von Krummen Geschäften abbringen wollen. Schließlich erstattete der Mann im Jahr 2003 Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth. (...)
In dem mehrseitigen Schreiben, das der Redaktion vorliegt, listet er eine lange Reihe mit Namen von Kunden und Verantwortlichen der Bank auf, die seiner Kenntniss nach angeblich in die illegalen Aktivitäten verwickelt waren.
Die Reaktion der Nürnberger Justizbehörde darauf fiel überraschend aus. In Steuerverfahren wird selbst anonymen Hinweisen meist nachgegangen, und owohl G. Ross und Reiter nannte, stellte die zuständige Staatsanwältin das Verfahren dreieinhalb Monate nach Eingang der Anzeige ein. Sie sah nicht einmal einen "Prüfungsansatz, der die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens rechtfertigen würde". Die knappe Begründung: Der Anzeigenerstatter trage "nur pauschal den Verdacht vor, dass Schwarzgeld in großem Umfang in die Schweiz verbracht wird". Die Angaben seien "unkonkret". (...)
Allerdings gibt es für Nachfragen der zuständigen Nürnberger Staatsanwaltschaft und der beteiligten Gerichte bei G.s ehemaliger Frau und deren Kollegen, bei den genannten Bankkunden oder bei den damals verantwortlichen Managern der Nürnberger HBV oder in der Münchner Bankzentrale nach Recherchen unserer Zeitung keine Belege. Erst jetzt kam zutage, dass die Bank selbst die Vorwürfe von G. ernster nahm als die Justiz.
Die Nürnberger Staatsanwaltschaft hat jederzeit die Möglichkeit das Verfahren wieder aufzunehmen, wenn neue Gesichtspunkte auftauchen. Dafür gibt es nach Aukunft von Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Behörde, jedoch keinen Anlass. Der ehemalige Ministerialrat Wilhelm Schlötterer spricht in der Angelegenheit unterdessen von einem "menschenverachtenden politischen Justizskandal" bis hinauf zur amtierenden Ministerin Beate Merk (CSU).
(...) Gegenüber unserer Zeitung äußert Schlötterer jetzt den "dringenden Verdacht", dass Ferdl. G. durch ein "vorsätzlich falsches Urteil und ein vorsätzlich falsches Gutachten in die Psychiatrie weggesperrt wurde", um auf diese Weise "die Bank, ihre einflussreichen Kunden und andere Beteiligte" zu schützen. (...)
Permalink2011-10-07 Nürnberger Nachrichten (Michael Kasperowitsch)
(der Artikel ist aus unbekannten Gründen nicht auf der Website der NN zu finden, deshalb dokumentieren wir ihn hier in Auszügen)
(...) Ein zermürbter, gebrochener Mann ist Ferdl G. nicht. So aufrecht stellt man sich niemanden vor, der fast zehn Jahre gescheiterte Anstrengungen hinter sich hat, um zu dem zu kommen, was er selbst zutiefst als Recht empfindet. 2006 landete er hinter Gittern, dort, wo kriminelle Kranke eingesperrt sind. Aussicht auf Entlassung hat er in absehbarer Zeit nicht. Aber G. strahlt Stärke aus, als er den kahlen Besucherraum der Station FP 6 betritt, der Klinik für Forensische Psychiatrie in Bayreuth.
In allen Details und mit exakten Datumsangaben, die er im Kopf hat, beschreibt er seinen langen Weg, der ihn hierher führte, er würde sagen, auf den er verschleppt wurde. Selbst den leisesten Anflug von Zweifel an seiner Schilderung entkräftet er mit noch tiefer gehenden Erläuterungen. (...) Gelegentlich verspürt man bei G. den Hang, seine moralische Haltung überzustrapazieren. Diese Eigenart hat es ihm in der Vergangenheit sicher nicht leicht gemacht, Fakten in aller Nüchternheit darzustellen. Seine seitenlangen Anzeigen bei der Nürnberger Staatsanwaltschaft und bei Gerichten vor rund acht Jahren hat er mit Appellen, Hinweisen, Aufforderungen, Zitaten und moralischen Verurteilungen garniert. Andererseits macht der gelernte Ingenieur aber auch sehr genaue Angaben über die seiner Ansicht nach schmutzigen Aktivitäten einer großen Bank in Nürnberg. Er nennt reihenweise Namen und Adressen von Mitarbeitern sowie Kunden, die über jene Bank Schwarzgeld illegal an den deutschen Steuerbehörden vorbei in der Schweiz versteckt haben sollen. G. beschreibt diese Vorgänge und gibt sogar an, selbst bei Kurierfahrten in das Nachbarland dabeigewesen zu sein. Zusätzlich hat er in einer Verhandlung vor dem Amtsgericht in Nürnberg 106 Seiten Beweismaterial übergeben, das er für brisant hält.
Völlig aus der Luft gegriffen und abwegig ist dieses eidgenössische Steuerhinterziehungsmodell bekanntlich nicht. (...) Und Ferdl G. hat sein Material auch nicht von grünen Marsmännchen empfangen, wie die Gerichtsentscheidungen über seinen angeblichen Geisteszustand nahelegen könnten. Er hat es von seiner früheren Frau. Die war zu jener Zeit selbst bei der Bank beschäftigt und betreute Privatkunden. Nach den Schilderungen ihres Ex-Mannes gegenüber der Justiz war sie an den finanziellen Machenschaften in großem Umfang beteiligt. Das Paar ist längst geschieden. Es hatte sich auch im Streit über diese krummen Geschäfte entzweit, wie Gerichtsprotokolle belegen.
Die Reaktion der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth auf G.s konkret belegte Vorwürfe fällt äußerst schmallippig aus. "Ihrer Strafanzeige habe ich keine Folge gegeben", schreibt eine Staatsanwältin. Der Anzeige seien "keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte" zu entnehmen. Der Verdacht werde nur "pauschal" vorgetragen, die Angaben seien "unkonkret". Nicht einmal einen "Prüfungsansatz" für Ermittlungen erkennt die Vertreterin der Justiz seinerzeit. Für Antje Gabriels-Gorsolke, Sprecherin der Nürnberger Staatsanwaltschaft, hat sich bis heute nichts an dieser Einschätzung geändert. Dabei gab es schon weit geringere Anlässe für Ermittlungen von Strafverfolgungsbehörden. Soll in diesem Fall verhindert werden, dass der Deckel über einem ausgewachsenen Finanzskandal gehoben wird?
Wesentlich aktiver wird die Nürnberger Justiz, als Ferdl G. von seiner damaligen Frau mitten in dem Bankstreit wegen Körperverletzung und anderer Taten angezeigt wird. Er habe sie geschlagen und bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt. Gleichzeitig bringt sie wie beiläufig "Bewusstseinsstörungen" ihres Mannes ins Spiel, die sie schon über längere Zeit beobachtet haben will. Unterstützung holt sie sich von einer Ärztin. Diese attestiert allein nach den Angaben von G.s Frau, der Mann leide "mit großer Wahrscheinlichkeit an einer ernstzunehmenden psychischen Erkrankung". Er soll auf seinen Geisteszustand überprüft werden. Und das Amtsgericht ordnet tatsächlich ein psychiatrisches Gutachten des Angeklagten an.
Als dieser sich weigert, den Strafbefehl über 1000 Euro für die Gewalttaten — die er heftig bestreitet — gegen seine Frau zu bezahlen und der Vorladung eines Arztes zu folgen, wird er zwangsweise vorgeführt. Ein medizinisches Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass Ferdl G. "in mehreren Bereichen ein paranoides Gedankensystem entwickelt hat". Auch seine Angaben zu den Schwarzgeldverschiebungen entsprängen einer wahnhaft psychischen Störung. Vom Landgericht wird er deshalb im August 2006 wegen Schuldunfähigkeit aufgrund einer Geisteskrankheit vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen.
Damit beginnt das Martyrium für den damals 50-Jährigen erst richtig. Das Gericht ordnet nämlich gleichzeitig wegen Gemeingefährlichkeit seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Dort sitzt Ferdl G. seither. Erst in diesem Sommer haben das Landgericht Bayreuth und das Oberlandesgericht Bamberg diese Entscheidung wieder bestätigt. Bei dem Verurteilten liege immer noch eine wahnhafte Störung vor, weil er rigide an seinen Verschwörungstheorien festhalte. Erneute Straftaten seien bei Freilassung nicht ausgeschlossen. Das hat der bestellte Sachverständige in seinem Gutachten festgehalten. Hans-Berndt Ziegler aus Marburg, der Anwalt G.s, bereitet nun den Gang vor das Bundesverfassungsgericht vor. Sein Mandant könne keine Krankheitseinsicht zeigen und müsse auch nicht therapiert werden, weil gar keine Krankheit vorliege. Um das zu untermauern, zitiert er aus einem ausführlichen Gutachten von Dr. Friedrich Weinberger aus Garmisch-Partenkirchen, welches die Justiz als ungeeignete Privatmeinung wertete. Ein Obergutachten, so das Gericht, sei in diesem Fall überflüssig.
Weinberger, Träger des Bundesverdienstkreuzes und Vorsitzender der angesehenen Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie, fällt in seiner Expertise ein vernichtendes Urteil über die Arbeit seiner Kollegen in diesem Fall. Die Diagnose sei "aus Fahrlässigkeit oder Absicht" falsch gestellt worden. Er spricht von einer "groben Falschbegutachtung", die wissenschaftlichen und ethischen Anforderungen "in keiner Weise" genüge, und von einer "Irreführung des Gerichts". Vor allem sei der Realitätsgehalt der Angaben G.s nie geprüft worden. Er müsse "unverzüglich" freikommen.
Anfang September meldete sich obendrein ein langjähriger Freund des Nürnberger Ehepaars bei Anwalt Ziegler. (...) Erst im vergangenen Jahr erfuhr er von der dramatischen Entwicklung. Den Beziehungsstreit 2002 zwischen dem Paar hatte er natürlich mitbekommen. Er versuchte damals sogar zu vermitteln. Die Frau habe auch ihm, dem Freund, damals angeboten, Geld in der Schweiz anzulegen. Sie fahre ohnehin öfter mit Kundengeldern in das helvetische Steuerparadies. Dann habe sie sich erneut gemeldet, mit der Bitte, er möge doch auf ihren Mann einwirken. Sie habe, so versichert der Zahnarzt, dabei unmissverständlich klargemacht, um was es geht: "Wenn Ferdl meine Bank und mich anzeigt, mache ich ihn fertig. Ich habe gute Beziehungen. Dann zeige ich ihn auch an, das kannst du ihm sagen. Der ist doch irre, den lasse ich auf seinen Geisteszustand überprüfen, dann hänge ich ihm was an, ich weiß auch wie." Später, so der Zahnarzt, habe sie noch angeboten: "Wenn Ferdl die Klappe hält, kann er 500.000 Euro von seinem Vermögen behalten. Das ist mein letztes Wort." Ferdl G. besitzt heute nichts mehr.