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Fachanalysen


Dr. Judith Hauer (Rechtsanwältin, München)
Anmerkungen und Gedanken zum Fall Mollath – Verschwörung oder Gleichgültigkeit?

(Auszug aus einer Veröffentlichung in ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik, Heft 7, 2013, Seite 209 ff. Den gesamten Text können Sie als angemeldeter Nutzer unter www.zrp.beck.de herunterladen)

(...)

Es sind Fehler passiert im Fall Mollath. Der eigentliche Skandal ist jedoch das rigorose Beharren darauf, alles richtig gemacht zu haben, wie der Beitrag zu zeigen versucht. (...)

Es macht Sinn, vier Ebenen unterscheiden, wenn man den Fall Mollath betrachtet. Zunächst gibt es die Ebene der Entscheidungen in einer ersten Instanz, wie etwa die Einstellung der Anzeigen, aber auch die Verurteilung und Unterbringung. Auf der zweiten Ebene befinden sich die Kontrollentscheidungen über die der ersten Ebene. Nachdem der Fall öffentlich wurde, wurde eine dritte Ebene beschritten. Die Öffentlichkeit und die Politik kamen ins Spiel, und auch hier agierten die Behörden. Auf einer vierten und letzten Stufe ist der Fall Mollath als Gegenstand eines Untersuchungsausschusses zu betrachten. (...)

Die Causa Mollath muss auf allen vier Ebenen nachdenklich machen. (...) bleibt festzustellen, die Justiz hat sich mit Zugeständnissen von Fehlern sehr schwer getan. Aber auch die Regierung hat unter den kritischen Augen des Landtags und der Öffentlichkeit und zum Schluss auch vor dem Untersuchungsausschuss mit allen Mitteln versucht, keinerlei Fehler zugeben zu müssen. (...)

Dafür wurde auch in Kauf genommen, den Landtag und die Öffentlichkeit falsch, jedenfalls kritikwürdig zu informieren und zurückrudern zu müssen. Das ist bedenklich und bedeutet Wasser auf die Mühlen derer, die eine Verschwörung im Fall Mollath vermuten wollen. (…) 

Es lässt sich daher nicht als Losung ausgeben, "keine Verschwörung im Fall Mollath, alles nur Wahlkampf". Eine derartige Simplifizierung verbietet der Fall. Die Forderung nach einer anderen Fehlerkultur aus dem Bericht der Oppositionsparteien hat ihre Berechtigung. Die Zweifel, die nunmehr zusammengetragen wurden und zum Teil bereits in den Akten standen, sollten eine kritische und ergebnisoffene Auseinandersetzung in der Sache ermöglichen, in der auch die Öffentlichkeit korrekt informiert wird. Dieser Fall zeigt eindrücklich, dass der Ausspruch von Gustav Radbruch, "Es kann nur der ein guter Jurist werden, der mit einem schlechten Gewissen Jurist ist." gerade im Strafrecht seine Berechtigung hat. (...)


Fachliche Stellungnahme von Dr. Harald Rauchfuss
(Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Neustadt)
zu dem Einweisungsgutachten Dr. Leipziger (2005)

  1. Über Diagnosen kann man trefflich streiten. Wesentlich ist, dass nach Dr. L. die Diagnose nicht endgültig gestellt werden könne. Neben F22.0, F20.0 und einer hirnorganisch bedingten Genese ist m. E. auch an F21 zu denken. F21 (schizotype Störung) verläuft einer Persönlichkeitsstörung ähnlich.
  2. Es wird im Gutachten m. E. nicht hinreichend diskutiert, ob die geschilderte, bisweilen aber eher angenommene Symptomatik ("negatives Weltbild") überhaupt genügt, um eine Schizophrenie (F20.x) anzunehmen. Es wird von einem paranoiden Gedankensystem gesprochen (S. 26), aber auch von "eigensinnig" (S. 18), Stimmenhören könne nicht konkret belegt werden (S.27), schließlich von Progredienz (= fortschreitende Symptomatik – S. 27), ohne dass die Progredienz im Sinne eines psychotischen Prozesses gegen die Progredienz bei Persönlichkeitsstörung abgewogen wird.
  3. Es wird nicht diskutiert, ob es sich auch um überwertige Ideen oder Gedankenlautwerden handeln könnte, Symptome, die schizophren imponieren, es aber nicht sind. Daher geht die Klinik am Europakanal 2004 von einer Persönlichkeitsstörung aus (S. 8).
  4. "Ohne Zweifel" ist für Dr. L. nur, dass Unterbringungsbedürftigkeit bestehe (eine Folgerung, kein Befund – S. 29); er betont ausdrücklich, dass wegen der nicht abgeschlossenen Diagnostik die sachverständige Bewertung nur als vorläufig anzusehen sei (S. 30).
  5. Daraus ergibt sich, dass die sachverständige Bewertung überprüft werden muss, wie ja auch Unterbringungen längstens jeweils nach Ablauf von zwei weiteren Jahren neu zu überprüfen sind.
Folgerung:

Zum Fall sagt das Gutachten nur "Vorläufiges" aus. Da der Begutachtete in einer forensisch-psychiatrischen Klinik untergebracht wurde, müssten nach nunmehr sieben Jahren Folgegutachten veranlasst gewesen sein. Aus ihnen müsste zu ersehen sein, ob eine "Progredienz" zu beobachten ist, ob wirklich eindeutige schizophrene Symptome oder hirnorganische Bedingungen festgestellt bzw. ausgeschlossen wurden. Inzwischen wäre die neuere Rechtsprechung zu berücksichtigen, die ausdrücklich von Behandlungen wider Willen Abstand nimmt, was aus psychiatrischer Sicht wohl auch Diagnostik wider Willen und die Unterbringung wider Willen erheblich relativiert.


Fachliche Stellungnahme von Dr. Arnold Torhorst
(Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Bad Tölz)
zu dem Einweisungsgutachten Dr. Leipziger

Das Gutachten wurde unter Bedingungen erstellt, die irregulär waren. Herr Mollath hatte sich geweigert, in ein Untersuchungszimmer unter vier Augen zu gehen. Im dann öffentlich stattgefundenen Gespräch hat Herr Mollath sich offensichtlich nicht geäußert. Der Gutachter hat sich dann bezogen auf Notizen des Pflegepersonals und der Ärzte. Diese Äußerungen waren häufig diagnostisch gefärbt, nicht deskriptiv. Daher waren die Bedingungen für die Erstellung eines Gutachten irregulär. Dies hätte der Gutachter dem Gericht zur Kenntnis bringen müssen. Dies hätte dem Gericht die Möglichkeit gegeben, jemand anderen mit dem Gutachter beauftragen zu können. Außerdem hätte der Richter das Gutachten lesen müssen. Dabei hätte ihm mit dem gesunden Menschenverstand auffallen müssen, dass das Gutachten nicht regulär erstellt wurde. Das Gericht entscheidet, und nicht der Gutachter. In einem solch schwerwiegenden Fall wäre unbedingt seitens des Gerichts mehr Sorgfalt erforderlich gewesen. Das Justizministerium hat die Aufsicht über die Rechtmäßigkeit des Gerichts. Wer dann tatsächlich verantwortlich für die Kontrolle der Richter ist, bleibt fraglich.

Das andere Gutachten von Dr. Simmerl, das Stellung nahm zu der Geschäftsfähigkeit von Mollath, erstellt im BKH Mainkofen, kommt klar zu dem Ergebnis, dass kein Anhalt gegeben war für die Diagnose einer Schizophrenie. Herrn Mollath wird allenfalls die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung zugeteilt. Wobei die Frage ist, inwieweit die tatsächlichen Bedingungen des Verfahrens und der Konsequenzen nicht jeden normalen Menschen aufgebracht hätte, der dann durchaus Züge eines persönlichkeitsgestörten Menschen aufweisen kann. Die Geschäftsfähigkeit im Rahmen des Betreuungsgesetzes wurde voll bestätigt. Interessanterweise wurde von den Strafverfolgungsbehörden dieses Gutachten offensichtlich nicht zur Kenntnis genommen.


Stellungnahme von Dr. Hans Simmerl / Mainkofen zu den qualitätsjournalistischen Behauptungen von Beate Lakotta im Spiegel-Blog:

In einem Beitrag im Spielgel-Blog behauptet die Journalistin Beate Lakotta: "Ich habe mit Dr. Simmerl gesprochen. Er bestätigte mir, dass er Mollath sehr wohl für deutlich gestört gehalten habe, und dass er sich, was das betrifft, in vielen Medien nicht korrekt wiedergegeben sieht. Außerdem räumte er ein, dass er für sein Gutachten die Strafakten nicht herangezogen hat. Musste er ja auch für ein Betreuungsgutachten nicht. Aber ein vollständiges Bild wird er sich so kaum erworben haben können."

 

Hierzu nimmt Dr. Simmerl wie folgt Stellung:

"Richtig ist, dass ich kurz mit Frau Lakotta gesprochen habe.

Richtig ist ebenfalls, dass ich die Formulierung, ich hätte Herrn Mollath als "normal" bezeichnet, zurückgewiesen habe. Dies entspricht schon gar nicht meinem Vokabular - ausserdem, wer ist denn schon "normal" und wer legt das fest? [s. Ergebnisse des Gutachtens Dr. Simmerl bei Dr. Rudolf Sponsel]

Richtig ist ausserdem, dass ich in meinem Gutachten - das Frau Lakotta bekannt war - mit gewisser Einschränkung eine psychiatrische Diagnose gestellt habe.

Meine Aussage - auch in anderen Medien - ging immer in die Richtung, dass ich bei meiner Untersuchung mit Sicherheit keine psychotische Symptomatik und nach meiner Einschätzung auch keinen aktuellen Wahn (9/2007) feststellen konnte.

Weitere Aussagen zur Gefährlichkeit, Schuldfähigkeit etc. habe ich nie getroffen.

Die Strafakten standen mir für ein Betreuungsgutachten nicht zur Verfügung, so dass ich sie auch gar nicht hätte einbeziehen können.

Vielleicht bin ich dadurch aber auch unvoreingenommener an die "Sache" herangegangen, was nicht immer ein Nachteil sein muss.

Viel Erfolg bei Ihren Bemühungen und schöne Feiertage,
Dr. H. Simmerl


 

Methodenkritisches Gutachten in Form eines Briefes an Justizministerin Merk von Prof. Dr. Dieckhöfer (Psychiater)

Die wichtigsten Inhalte des Gutachtens entnehmen Sie bitte dem Zeitungsartikel "Harte Kritik an Experten-Gutachen" von Michael Kasperowitsch (NN von 2012-03-07)


Psychiatrische Stellungnahme von Dr. med Friedrich Weinberger (Neurologe und Psychiater, Psychotherapie)

(Träger des Bundesverdienstkreuzes)
veröffentlicht im Rundbrief 1/11 (Juli 2011)
der Walter-von-Baeyer-Gesellschaft für Ethik in der Psychiatrie e.V.:
(in Auszügen – den kompletten Artikel finden Sie hier als PDF
4. Der Fall Gustl Ferdinand Mollath

Der folgende Fall des Gustl Ferdinand Mollath gehört an sich noch zum vorausgegangenen Kapitel. Wir behandeln ihn hier gesondert, weil wir mit ihm seit rund einem Jahr besonders beschäftigt sind, er so größeren Umfang angenommen hat und er alles Vorausgegangene in den Schatten stellt.

4.1 Am 11.4.2011 konnte ich Mollath im Bezirkskrankenhaus (BKH) Bayreuth nachuntersuchen und das Ergebnis in einem Gutachten vom 30.4.2011 niederlegen. (...) Wir veröffentlichen den Fall mit ausdrücklichem Einverständnis des Betroffenen.

Gustl Mollath, geb. 1956, sitzt, so mein gutachtliches Urteil, seit über fünf Jahren bei voller Gesundheit unschuldig in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt, weil mächtige Leute glauben, so seine sie störenden Aussagen auf Dauer wegsperren zu können. Unter dem schönsten Schein humaner, politisch neutraler, wissenschaftlich gesicherter Heilkunde wurde er mundtot gemacht (...)

Vom Schicksal Gustl Mollaths hörte ich erstmals im Frühjahr 2010 durch Eberhart Herrmann. Mit diesem setzte sich Mollath in Verbindung, nachdem er im Februar 2010 aus der Zeitung von dessen Erfolg beim Oberlandesgericht München erfahren hatte.

Genauere Informationen zu seinem Fall, Einsicht insbesondere in das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 8.8.2006 und das Einweisungsgutachten eines Dr. L. vom 25.7.2005 gingen mir erst Mitte März 2011 von Mitgliedern eines "Arbeitskreises Solidarität mit Gustl Mollath" zu. Vieles blieb mir beim Lesen dieser Dokumente unklar. Einen besseren Durchblick verschaffte mir eine Darstellung der Abläufe durch Dr. jur. Wilhelm Schlötterer, der ebenfalls besagtem Arbeitskreis angehört und seit einiger Zeit schon mit der bayerischen Ministerialbürokratie im Clinch liegt. Nachdem ich den Eindruck gewann, ich könnte von psychiatrischer Seite aus zu einer angemessenen Beurteilung des Falles beitragen, nahm ich den Auftrag der Arbeitsgemeinschaft zur Begutachtung an.

In groben Umrissen liegt nach dem Urteil des Landgerichts folgender Sachverhalt vor: Gustl Mollath hat sich seit Mitte der 90er Jahre psychisch verändert. Er schlug und würgte seine Frau des öfteren, besonders arg aber am 12.8.2001 und 31.5.2002. Im Winter 2004 auf 2005 beschädigte er in gemeingefährlicher Weise zudem Autoreifen verschiedener Leute, die er als gegen sich eingestellt empfand. Eine psychiatrische Begutachtung durch Dr. L. vom BKH Bayreuth erwies seine Gestörtheit, so dass er von den ihm angelasteten Delikten freizusprechen und seine Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Anstalt anzuordnen war.

Von juristischer und kriminologischer Seite stellte Dr. Schlötterer einen ganz anderen Ablauf der Ereignisse dar: Nach ihm hat Mollath über Jahre geduldig versucht, seine Frau, eine Bankangestellte, von illegalen Geldgeschäften, der Verbringung gewaltiger Summen unversteuerten Geldes ins Ausland, abzubringen. Darüber habe sich ein Ehekonflikt zugespitzt, der die Frau in Absprache wohl mit ihrem Arbeitgeber schließlich veranlaßte, ihren Mann ins Irrenhaus zu schaffen. Schlötterers Haupteinwand gegen das dies umsetzende Urteil ist, dass das Gericht Mollaths einschlägige, detailliert auch schriftlich niedergelegte Vorbringungen gar nicht geprüft, sondern sie, auf o.g. Gutachten gestützt, kurzerhand als wahnhaft verworfen habe.

Stichwortartig seien erst einmal die Daten von Mollaths Zwangsinternierungen zusammengefaßt:
Auf Gerichtsbeschluß befand / befindet er sich:

Nach bereits fünfjähriger Unterbringung Mollaths in den verschiedenen forensisch-psychiatrischen Krankenhäusern Bayerns befand Ende 2010 ein Prof. P. aus Ulm mit Gutachten vom 12.2.2011 deren Fortdauer als ärztlich angezeigt. Dies gab dem Arbeitskreis den weiteren Anstoß, eine neue gutachtliche Stellungnahme einzuholen. So kam es zu meiner:

4.2 Untersuchung Gustl Mollaths am 11.4.2011 im Bezirkskrankenhaus Bayreuth auf der forensischen, also streng abgeschlossenen Station FP6.

Mit anwesend war als stiller Zuhörer Herr R. Heindl, Richter i.R. Nachdem die Klinikleitung versucht hatte, die Untersuchung zu verhindern, hatte er bei Frau Staatsministerin Haderthauer (CSU) und beim Bayreuther Abgeordneten Dr. Rabenstein (MdL-SPD) zu intervenieren, dass die Türen der Klinik für mich (und ihn) doch aufgingen und die Untersuchung in geordneter Form möglich wurde.

Aus ihr das Wichtigste: Gustl Mollath wurde 1956 geboren. 1976 legte er das zweitbeste Abitur an seiner Schule ab. Er begann Maschinenbau zu studieren, arbeitete Anfang der 80er dann erst bei MAN, machte sich bald aber selbstständig mit der Reparatur von Oldtimern und dem Tuning von Sportwagen, insbesondere Ferraris, um im eigenen, auch seine Werkstatt bergenden Haus die krebskranke Mutter versorgen zu können.

1978 lernte er Petra, seine spätere Ehefrau, kennen. Diese, eine gelernte Bankkauffrau, habe ab 1986 bei der ...bank zu arbeiten begonnen, beschäftigt in der Hauptniederlassung der ...bank in Nürnberg bald im Privatkundengeschäft, als "Top-Vermögensberaterin" dabei zunehmend mit der Verbringung großer unversteuerter Geldbeträge in die Schweiz. Allwöchentlich habe sie Kurierfahrten dorthin unternommen, was er eine Zeitlang tolerierte. Die Bank habe Anfang der 90er die AKB (Bank) in Zürich quasi als Tochter-Institut übernommen. U.a. habe sie dort noble "Fortbildungsseminare" veranstaltet, um den Mitarbeitern für den Fall einer Entdeckung die "richtigen" Alibis anzutrainieren. An einem dieser Seminare habe er als Begleitperson selbst teilgenommen. Ihm sei die Gefahr möglicher strafrechtlicher Konsequenzen dabei immer deutlicher vor Augen getreten. Auch aus immer nachhaltiger sich meldendem Unrechtsbewußtsein heraus habe er die Frau immer intensiver von solcher Tätigkeit abzubringen versucht, immer dabei darauf bedacht, sie zu schützen. Er habe laufend damit gerechnet, dass was passiert. Nachts sei er oft schweißgebadet aufgewacht. Schließlich habe er ihr die Fahrzeuge weggesperrt mit der Folge, dass die Frau zum Wochenende mit dem Zug nach Zürich fuhr, eines Tages aber die Garagen aufgebrochen und die Ferraris weg waren. Er habe auch das nicht recht verfolgen können und wollen – gegen seine Frau, die er halt liebte.

Was seine angeblichen Tätlichkeiten gegen sie betreffe, so seien sie alle erfunden. Solche Handlungen seien ihm von Grund aus wesensfremd. Grundsätzlich sei er sozial und friedliebend eingestellt. Nicht von ungefähr sei er in der Friedensbewegung engagiert gewesen. Erst jetzt, nach dem (angeblichen) Übergriff am 31.5. 2002, trennte sich die Frau von ihm. Im Juli wurde ihm dann ihr Scheidungsbegehren zugestellt. Er habe in der ganzen Zeit all die Belastungen allein mit sich ausmachen müssen. Er wollte ja die Frau auch bei Bekannten nicht anschwärzen.

Ab Sommer 2002 habe er die Vorgesetzten, Direktoren der beteiligten Banken, im November 2002 den Vorstandsvorsitzenden der ...bank angeschrieben, um deren Intervention zu erreichen - vergeblich. Am 23.11. 2002 habe er den Bruder der Frau aufgesucht, damit er sie mit zur Aufgabe ihrer krummen Geschäfte bewege. Dieser aber habe ihn grob beschimpft und zusammengeschlagen. Er sei einige Tage krankgeschrieben gewesen. Unter Vorlage ärztlicher Atteste habe er den Bruder jetzt wegen Körperverletzung angezeigt.

Von der Frau kam darauf ein bitterböser Anruf, in dem sie ankündigte: "Wir machen dich fertig." Im Januar 2003 zeigte sie ihn von Berlin aus, wo sie inzwischen bei ihrem Liebhaber, ihrem jetzigen Mann, lebte, wegen besagter, bereits ein halbes bzw. über ein Jahr zurückliegender (angeblicher) Tätlichkeiten an. Sie gab dabei auch zu Protokoll, dass er Schußwaffen im Haus habe. Er könnte sie gegen ihre Familienangehörigen richten. Es sei darauf Anfang Februar 2003 eine ganztägige polizeiliche Hausdurchsuchung durchgeführt, das Haus auf den Kopf gestellt, dabei aber nicht mehr als ein altes Luftgewehr aus Mutters Tagen gefunden worden.

Mit Schreiben ihres Anwalts vom 23.9.2003 beantragte die Frau zudem, er solle auf seinen Geisteszustand hin untersucht werden. Sie hatte eine Ärztin des BKH Erlangen, Dr. K., konsultiert, die allein auf ihre Angaben hin attestierte, er leide "mit großer Wahrscheinlichkeit an einer ernstzunehmenden psychischen Erkrankung" mit weiter zu erwartender ‚Fremdgefährlichkeit". Und wie sehr die Hausdurchsuchung auch die Unstimmigkeit ihrer Angaben gezeigt hatte, ordnete das Gericht seine psychiatrische Untersuchung an.

Jetzt erst habe er begonnen, die gesetzwidrigen Geschäfte der Frau anzuzeigen. Unter dem Druck der bereits angelaufenen Psychiatrisierung habe er im April 2004 an Ministerpräsident Stoiber geschrieben und habe endlich Strafanzeige an Richter, Amtsgerichtpräsidenten, Generalstaatsanwalt und den Leitenden Oberstaatsanwalt gestellt. Überall sei er auf taube Ohren gestoßen – warum, wäre wohl zu prüfen.

Im April 2004 ordnete das Amtsgericht Nürnberg, so Mollath weiter, seine Zwangsunterbringung im Bezirkskrankenhaus Erlangen zur Begutachtung an, nachdem er sich einer ambulanten Untersuchung nicht gestellt hatte. Der dortige Chefarzt Dr. W. erklärte sich nach einer Woche für befangen und empfahl als Gutachter seinen ihm gut bekannten Kollegen Dr. L. im BKH Bayreuth. Er, so Mollath, wurde so im Februar 05 für sechs Wochen dorthin geschafft. Er verweigerte die Untersuchung auch hier, um sich nicht selbst den Schuh des Geisteskranken anzuziehen. Ergebnis war das o.g. Gutachten Dr. L. vom 25.7.2005.

Am 27.2.2006 sei er, so Mollath weiter, nach einem dreiviertel Jahr Freiheit wieder festgenommen und erneut in die Erlanger Klinik, einige Tage später dann wieder ins BKH Bayreuth und ohne Angabe von Gründen einige Wochen danach weiter ins forensische BKH Straubing verlegt worden. Von dort sei er am 8.8.2006 kurzfristig zur Hauptverhandlung ins Landgericht Nürnberg verbracht worden, danach gleich wieder zurück in die Straubinger Anstalt. Was er da an Gewaltanwendungen und Demütigungen erlebte, ginge bei der wohl begrenzten Zeit auch meiner Untersuchung zu weit, um wiedergegeben zu werden.

Erst zwei Tage vor der Verhandlung am 8.8.2006 habe er erfahren, dass ihm in größerer Zahl mutwillige Reifenbeschädigungen im Winter 2004 auf 2005 angelastet würden, Beschädigungen an Autos von Leuten, die teilweise der Frau verbunden, teilweise gegen ihn gearbeitet hatten. Erst über diese ihm fremden und ihm auch nie wirklich nachgewiesenen Beschädigungen das ging ihm freilich erst später auf - war ihm die von der Frau postulierte Gemeingefährlichkeit zuzuschreiben (deshalb auch die Verlagerung des Prozesses vom Amtsgericht an das Landgericht) und nur mit diesen Reifenstechereien und der Zuerkennung einer Geistesstörung waren seine Anzeigen von Schwarzgeldverschiebungen der Frau (der Bank und deren potenten Kunden) als irrelevante Äußerungen eines Geisteskranken abzutun, am wirksamsten natürlich durch seine langfristige Zwangsunterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus. Er vermute, dass die Reifenstechereien jemand aus dem Umkreis der Frau auf deren Veranlassung hin besorgt habe.

Ihm sei mitunter, als lebe er in einem bösen Film. Er sei aber ein "faktisch orientierter Mensch", halte sich an das Beweisbare und überprüfe das Geschehene immer wieder daran. Über fünf Jahre sei er nun in der geschlossenen psychiatrischen Anstalt, seiner Freiheit und seiner Glaubwürdigkeit beraubt, stigmatisiert und diskreditiert. Sein Leben sei zerstört, sein Elternhaus zwangsversteigert. Er habe nicht einmal mehr ein Bild von seiner Mutter. Zum Glück sei ihm eine Zwangsmedikation erspart geblieben. Er habe ja an Mitpatienten gesehen, was eine solche anrichte.

Auf die Frage, wie er sich verhalten würde, wenn er, frei gelassen, einer, einem der seinerzeit gegen ihn Agierenden begegnen würde, kommt klar und nachdrücklich die Antwort: "Auf die andere Straßenseite, allen jedenfalls aus dem Weg gehen, niemandem die Gelegenheit geben, mir wieder irgend etwas anzuhängen." Und auf die Frage, wie er die Erlebnisse in der Klink verarbeiten werde, antwortet er sinngemäß, er wolle sich, soweit möglich, für eine Verbesserung der Verhältnisse der so völlig entrechtet im Maßregelvollzug Sitzenden einsetzen. dass sich draußen langsam doch ein Unterstützerkreis für ihn gebildet habe, sei für ihn eine "Riesenerleichterung". Er sei sehr, sehr dankbar dafür.

Am längsten (wohl seit 1985) verbunden sei er da mit Herrn Edward Braun, Zahnarzt in Bad Pyrmont, den er von gemeinsamen Tagen bei Ferrari-Rennen am Hockenheimring kenne. Mollath zählt weitere Unterstützer auf, darunter solche, die ihn seit der Schulzeit kennen, großenteils wohl etablierte Damen und Herren, u.a. Mitglieder der CSU. Mit Herrn Dörner, Altenpfleger in Nürnberg, habe er seit gemeinsamen Demonstrationen gegen den Irak-Krieg im Jahr 2003 Kontakt.

Auf spezielle Nachfrage: Vor seiner Festnahme habe er einmal auf der Straße Leute von der KVPM / Scientology gesprochen. Ihm sei ihr Info-Material als dick aufgetragen erschienen. Er sei skeptisch geblieben. Mit Prof. P. habe er darüber gar nicht gesprochen. Wie er in seinem Gutachten darüber schreiben konnte, verstehe er nicht. Einen Schriftsatz von Frau Halmi von IAAPA43 habe er vor zwei Jahren von Herrn Dörner bekommen. Ihre Darstellung entspreche seiner eigenen Erfahrung. Anfang 2011 habe er Herrn Schuster vom Bundesverband Psychiatrieerfahrener angeschrieben, aber keine Antwort bekommen.

4.3 An Befunden notierte ich: Unauffälliges Äußeres, klares Bewußtsein, gutes Erinnerungsvermögen, normale Merkfähigkeit. Die an ihn gestellten Fragen wie auch Sinnzusammenhänge erfaßte Mollath mühelos. Er gab bereitwillig auf alle Fragen ruhig und ausführlich Auskunft. Er zeigte sich dabei um Genauigkeit bemüht, nicht aber pedantisch aufs Detail versessen, nicht eifernd und schon gar nicht fanatisch. Es klang auch keine hypochondrische Besorgtheit um die eigene Gesundheit an. Seiner Situation entsprechend war seine Stimmung gedrückt. Mitunter kam auch ein nachdrücklicherer Ton in seine Stimme, verhaltene Empörung über erlittenes Unrecht, damit sehr wohl emotionale Schwingungsfähigkeit anzeigend. Dominierend blieben Trauer und stille Wehmut über all die Verluste der letzten Jahre an Lebenswert, Hab und Gut. Im Antrieb wirkte Mollath verhalten, zurückgenommen. Der Gedankenablauf war flüssig und unkompliziert, formal geordnet. Die Äußerungen waren logisch mit einander verbunden, das jeweilige Thema zu Ende führend. Die anamnestischen Angaben (erwachte nächtens "oft schweißgebadet" s.o.) wiesen auf eine gewissenhafte, eher ängstlich-zwanghafte Persönlichkeitsstruktur. (Gegen eine Neigung zu überschießender Impulsivität spricht schon, dass Mollath bei keinem der erlebten Rückschläge, beim Diebstahl seiner Autos, der Hausdurchsuchung etc. "aus der Haut fuhr"). Nicht die Spur eines Vergeltenwollens, eines Rachebedürfnisses wurde bei der Exploration laut, auch nichts, was verstiegen, uneinfühlbar, absonderlich, aus dem Rahmen fallend oder gar bizarr wirkte, nichts, was als wahnhaft hätte gewertet werden können. Es kamen keine Hinweise für Sinnestäuschungen (Halluzinationen) auf. Gustl Mollath stellt hohe moralische Ansprüche an sich selbst. Altruistisch orientiert, denkt er auch in seiner derzeit so mißlichen Lage an die seiner "Mitgefangenen".

4.4 Es waren jetzt zur Begutachtung grundsätzliche diagnostische Überlegungen anzustellen: "Man spricht von Wahnwahrnehmungen, wenn wirklichen Wahrnehmungen ohne rational oder emotional verständlichen Anlaß eine abnorme Bedeutung beigelegt wird," lautet die klassische, immer noch gültige Definition des Wahnhaften von Kurt Schneider (...). In vorliegendem Fall fiel die Deutung, die Mollath dem Handeln seiner Frau und einiger Banken beilegte, gewiß nicht aus dem Rahmen. dass Banken und einige in ihnen Tätige in großem Umfang unversteuertes Geld in ausländische "Steueroasen" schaffen, ist breit ja durch die Medien gegangen. Bekannt sind gar vier parallele Fälle um den hessischen Steuerfahnder Schmenger, der infolge seiner Nachweise solcher "Machenschaften" von hoher politischer Seite nicht nur diszipliniert, sondern 2006 und 2007 gar für verrückt erklärt, "psychiatrisiert" wurde. Die Falsch-Diagnose wurde schließlich jedoch aufgehoben, der Falsch-Gutachter Dr. Holzmann verurteilt. Mollath wies P. mit gutem Grund auf den Skandal hin.

Psychiater lehnen sich allgemein heute an die internationalen Diagnostikmanuale an, in Deutschland vor allem die ICD. Das gibt ihrer Diagnostik zwar nicht die Zuverlässigkeit, die sie gern vorspielen, so als seien mit Zahlenwerten wie ICD-10: F22.0 oder F60.0 diagnostische Einheiten endgültig erfaßt und stünden fortan weltweit unverrückbar fest. Besagte Manuale haben de facto wohl eine etwas größere diagnostische Zuverlässigkeit gebracht, aber auch nicht mehr. Es läßt sich, wie der vorliegende Fall zeigt, auch mit ihnen immer noch reichlich jonglieren, ja irreführen. Es sei hier zunächst aber auszugsweise zitiert, was die ICD-10: F22.0 von der "wahnhaften Störung" im Klartext besagt. Sie sagt, es könne sich bei dieser Störung handeln um einen "Verfolgungswahn, hypochondrischen Wahn, Größenwahn, Querulantenwahn, Eifersuchtswahn oder einen Wahn, dass der Körper der betroffenen Person deformiert sei, dass andere denken, sie rieche unangenehm oder sie sei homosexuell". Jedenfalls definiert ICD-10: F 22.0 die "wahnhafte Störung" als eine, die von der Außenwelt, zumeist nicht nur von Psychiatern als solche, als eindeutig realitätsfremd erkannt wird. Venzlaff und Foerster fügen in ihrem gerichtspsychiatrischen "Klassiker" zu o.g. Aufzählung noch den Liebeswahn und den Beeinträchtigungswahn hinzu. Die Diagnose dieser Erkrankung sei, so auch besagte Autoren, schwierig, wenn die "Realitätstestung" der geäußerten Denkinhalte "nicht möglich ist" .Um so mehr ist die Diagnose ohne Grundlage, wenn die "Realitätsprüfung", obwohl wie im Fall Mollath möglich, nicht durchgeführt wurde.

Die ICD-10: F22.0 sagt zur Definition der wahnhaften Störung dazu aber noch: "Weitere psychopathologische Symptome finden sich meistens nicht... Wahnvorstellungen sind das auffälligste oder einzige Charakteristikum... " und ausdrücklich weiter: "Der Wahn ... ist immer auf die eigene Person bezogen."

Gustl Mollaths Vorbringungen bezogen und beziehen sich jedoch immer und ausschließlich auf das Tun oder Lassen seiner damaligen Ehefrau Petra. Er zeigte dabei Unrechtshandlungen der Frau erst an, nachdem diese mit ihrer Anzeige vom Januar 2003 real gegen ihn vorgegangen war und ihn hierbei gleich der Geistesgestörtheit zieh, also das bedrohlichste Register von Entrechtung zog. Er wandte sich jetzt also gegen realistische Beeinträchtigungen.

Gustl Mollath ist bereit, seine Erlebnisse immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Es ist in seinen Äußerungen also nichts da von der Wahngewißheit eines Wahnkranken. In keiner Weise paßt mithin die Gustl Mollath aufgedrückte Diagnose. In doppelter, ja dreifacher Hinsicht paßt sie nicht, wobei der gravierendste "Eingangsfehler" gewiß darin liegt, dass eine Prüfung des Realitätsgehalts seiner Äußerungen vom Gutachter Dr. L. nie gefordert, nie veranlaßt und vom Gericht etwa durch genauere Befragung der Ehefrau nie vorgenommen worden ist.

Auch andere Mängel sind an dem Gutachten von Dr. L. anzumerken. Er führte vieles als Indiz für besagte psychische Krankheit an, was als solches keineswegs oder allenfalls als solches zu werten ist, wenn gleichzeitig sicher Krankheitswertiges, sicherere Halluzinationen etwa, sog. "erstrangige Symptome" nach Kurt Schneider, bestehen. Was L. anführt, fällt insbesondere unter den Bedingungen einer als Unrecht empfundenen Zwangsunterbringung keineswegs aus dem Rahmen des Normalen. Wer von uns wäre etwa nicht vermehrt "ich-bezogen", wenn er sich unverhofft plötzlich auf einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung wiederfände?

Die Diagnose einer "wahnhaften Störung" nach ICD10: F 22.0 darf jedenfalls überhaupt nur gestellt werden, wenn der Wahncharakter vorgebrachter Äußerungen eindeutig erwiesen und ihr Realitätsgehalt wirklich ausgeschlossen sind, was im vorliegenden Fall nie geprüft wurde. Schwarzgeldverschiebungen in die Schweiz waren (oder sind) dabei so verbreitet und allgemein so bekannt, dass ihre Ausblendung und die Abschiebung der entsprechenden Anzeige Mollaths ins Wahnhafte durch den psychiatrischen Gutachter und dann das Gericht geradezu Kopfschütteln machen. Die von Dr. L. 2005 gestellte und vom Landgericht Nürnberg am 8.8.2006 in ein Urteil überführte Diagnose einer wahnhaften Störung hängt voll in der Luft. Sie ist unter Vorgaukelung einer Kongruenz mit internationalem diagnostischem Standards falsch, ja kunstfehlerhaft gestellt worden entweder aus Fahrlässigkeit oder Absicht zu eigenem oder fremdem Vorteil.

4.5 Diagnostisch brauche ich mich an dieser Stelle natürlich nicht zu äußern, kann es auch nicht. Nur so viel: Für eine Wahnerkrankung, eine "wahnhafte Störung", eine "paranoiden Schizophrenie" oder "organisch wahnhafte (schizophreniforme) Störung" fanden sich keine Hinweise. Für keine dieser Erkrankungen werden gerade nach der International Classification of Diseases (ICD) die diagnostischen Kriterien erfüllt. Selbst für eine "paranoide Persönlichkeitstörung" (ICD-10: D 60.0) mit den dazugehörigen Begriffen: "fanatisch expansiv paranoide Persönlichkeitsstörung" und "querulatorische Persönlichkeitsstörung", wie sie wesentlich "weicher", weniger belastend Dr. S. annahm, fand ich keine ausreichende Symptome. Gustl Mollath opponierte aus keinem Fanatismus und keiner Querulanz heraus gegen die illegalen, vom Arbeitgeber unterstützten Geschäfte seiner Frau, sondern aus anerkennenswertem Rechtsgefühl und aus der Sorge um sich und um die Frau im Bewußtsein der Strafbarkeit von deren geschäftlichem Treiben. dass er diese Position auch heute vertritt, ist in keiner Weise abnorm.

4.6 Wie anfangs mitgeteilt, war ein kürzlich eingegangenes Gutachten von Prof. P. vom 12.2.2011 Anlaß für das aktuelle Tätigwerden des genannten Arbeitskreises und damit auch für meine jetzige Untersuchung und Nachbegutachtung. Da mein Gutachten vom zuständigen Landgericht Bayreuth inzwischen umstandslos verworfen wurde und eine Gegenüberstellung mit diesem Vorgutachter unterblieb (s. 4.9), fühle ich mich frei, meine Ausführungen auch dazu zumindest sinngemäß vorzulegen. Ich habe sie nicht niedergeschrieben, damit sie in einem Gerichtskeller verstauben.

In diesem jüngsten, für Mollath weiteres Schicksal nunmehr bedeutungsschwersten Gutachten schrieb Prof. P., Arzt für Psychiatrie, Psychotherapie, Psychoanalyse, Forensische Psychiatrie (DGPPN), lapidar, er habe "zunächst einmal von den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils auszugehen". Von juristischer Seite stellte Dr. Schlötterer dem entgegen, dass wohl das Urteil, nicht aber die Urteilsgründe Bindungswirkung haben.

Prof. P. übernahm aus dem Einweisungsgutachten des Dr. L. dessen Diagnose "wahnhafte Störung" (ICD-10: F22.0), so als sei gänzlich unmöglich, sie in Zweifel zu ziehen oder ihre Überprüfung zu fordern. Er machte Abstriche aber bei Ls. Differentialdiagnosen. Hier verwarf er die "paranoide Schizophrenie", offensichtlich weil zwingend da zu fordernde, näher krankheitsbeweisende weitere Symptome wie eindeutige Halluzinationen oder "massive affektive Störungen" ganz und gar an Mollath nicht festzustellen waren. Die von L. auch erwogenen, dabei ebenso unhaltbare "organisch wahnhafte schizophreniforme Störung" sah P. dem Vorgutachter damit nach, dass "Herr M. die Mitarbeit für die dafür notwendige apparative Untersuchung verweigerte". Dabei war diese differentialdiagnostische Annahme a priori abwegig, da das Kernsymptom einer hirnorganischen Störung, die Bewußtseinsstörung, nie bestand, zumindest von Dr. L. nie angeführt worden war.

Auch Mollaths Verweigerung einer Untersuchung durch Dr. L. stellt P. als "Auffälligkeit", implizit als wahrscheinliches Krankheitsindiz für eine psychotische Störung heraus. dass die seinerzeitige Verweigerung die logisch konsequente Haltung eines Mannes sein könnte, der sich zu Unrecht in eine psychiatrische Klinik gesperrt sieht, blendet er gänzlich aus. In dem Umstand, dass sich Mollath im Vertrauen auf sein unabhängiges Urteil ihm gegenüber nun geöffnet hat, wie auch in dem, was er ihm jetzt "unkompliziert" und "ausführlich" berichtet, sieht P. letztlich selbst gegen eigene (im Folgenden noch darzulegende) Befunde erneut Wahnhaftes. Mollath kann sich zum Untersucher so oder auch gegenteilig verhalten oder äußern: Es ist und bleibt für ihn immer krankhaft und damit ein deutlicher Hinweis für fortbestehende Gefährlichkeit.

Prof. P. referiert aus den Einträgen des BKH-Krankenblatts "Krankheitsverdächtiges" wie: "wiederholt tief greifende Meinungsverschiedenheiten... mit jeweiligen Anwälten", "abfällig über andere Patienten geäußert", "gegenüber Mitpatienten beleidigend", "provozierend starrer Blick", "Schlafentzug" durch nächtliche Kontrollgänge als "Folter qualifiziert", "Verhalten nicht reflektieren können", mache "kürzere und meist umfangreiche handschriftliche Eingaben (bzgl.) Mißständen im Bankgewerbe", "gebe täglich 4-5 Anträge ab", werde "häufig als nicht krankheitseinsichtig beschrieben", "schimpfe auf Therapeuten und Pflegepersonal, streite sich ... mit Mitpatienten, sei gewohnt sarkastisch und leicht gereizt". Nichts davon weist jedoch Wahnhaftes aus. Prof. P. bemerkt nicht, dass während der fünfjährigen Zwangsunterbringung eindeutig wahnhafte Äußerungen oder Verhaltensauffälligkeiten mit Sicherheit aufgefallen und im Krankenblatt festgehalten worden wären, wenn es sie gegeben hätte! Er schreibt, "sein (Mollats) wahnhaftes Verhalten habe sich aus Sicht der Klinik im weiteren Verlauf eher verfestigt und vom Umfang her erweitert, so dass bezüglich der ... Gefährlichkeitsprognose keine Änderung im Sinne einer Abmilderung eingetreten sei". Worin die "Verfestigung" und "Erweiterung" des "wahnhaften Verhaltens" bestanden haben sollen, sagt er nicht.

P. gibt (von seiner neunstündigen Exploration) breit dann Mollaths umfängliche Ausführungen über die Schwarzgeldverschiebungen seiner Ex-Frau und verschiedener Banken, dazu seine Erlebnisse in der Internierung etc. wieder, gibt sie aber "in der Reihenfolge ihres Auftretens" so wieder, als sei das verkehrt, ja krankheitsverdächtig. Man hat den Eindruck, er hätte lieber von ihm ein "freies Assoziieren", ein ungeordnetes Schwadronieren wie bei einer analytischen Psychotherapiesitzun gehört. dass Mollath in seinem Bericht unbeirrt am chronologischen Ablauf der Ereignisse festhielt, spricht dabei just gegen eine wahnhafte Denkstörung. Im Erleben eines Wahnkranken gibt es keine zeitliche Entwicklung. dass das Thema, über das Mollath in die Klinik kam, in seinem zeitlichen Ablauf sein Denken beherrscht, ist nur zu verständlich. Weder formale noch inhaltliche Denkstörungen kamen in Mollaths Ausführungen zum Vorschein. Und es zeigt sich in seinem Bericht, dass er in der Zeit der zunehmenden Belastungen bei all den Provokationen der Frau, der Hausdurchsuchung, dem Garageneinbruch, dem Diebstahl der Ferraris, letztlich aber bis heute emotional die Fassung behielt. dass er auch jetzt nicht an Vergeltung an denen denkt, die ihn in all seine Mißlichkeit brachten, hielt auch P. fest. Er erlebte ja Mollath "nicht innerlich angespannt, aggressiv oder voller Wut und Haß".

Auch aus Anamnese und Befunden des BKH zitiert er Entlastendes zu Mollath, vom 25.8.2010 etwa, er "beteilige sich mit großer Energie am Sport, zeige dort auch Teamgeist". "Ausführungen zu Arztbesuchen seien problemlos verlaufen" Am 2.11.2010 habe man in der Lockerungskonferenz "keine von ihm ausgehende Allgemeingefährdung gesehen und keine Fluchtgefahr". Erwähnung fand sein "sehr gutes Verstehen mit dem Zimmerkollegen". Auf Ps. Hinweis auf mitunter hinzunehmendes Unrecht, das das Schicksal verhängt, kommt Mollath sinntreffend auf die Contergan-Opfer zu sprechen. Mitfühlend denkt er nicht nur an sich – P. notierte es -, "sondern (an) alle, die zwangsweise in der Psychiatrie untergebracht sind". Für den Fall seiner Entlassung zeigt er sinnvolle Planung: "Zuerst einmal für den Lebensunterhalt sorgen".

All diese (und genügend andere) gewichtige Aussagen, die auch mit der ganzen Persönlichkeitsstruktur Mollaths im Einklang stehen, gehen bei P. aber gleich wieder unter. Sie bleiben von seinen gutachterlichen Schlußfolgerungen gänzlich ausgespart. Er kommt immer wieder und zum Schluß nochmals verstärkt auf das "rechtskräftige Urteil" und mit ihm auf die einmal 20 gestellte Diagnose des Dr. L., "wahnhafte Störung (ICD-10: F22.0)", zurück. "Selbstverständlich (müßte) im Gutachten, sagt er, "aufmerksam gemacht werden, wenn im Rahmen der Untersuchung Informationen auftauchten, die zum Zeitpunkt der Einweisung noch nicht bekannt waren und die Zweifel an der Täterschaft des Begutachteten begründen." Ihm, so P., habe "Herr M. solche Informationen nicht vorgelegt", Informationen, die Mollath immer wieder aufs Neue vorgebracht hat und die vielen anderen, nicht zuletzt mir in die Augen springen. P., zu seinen Schlußfolgerungen kommend, vergißt alles, was er gerade richtig zugunsten Mollaths festgestellt hat (s. beide vorherige Absätze) und kehrt verstärkt seine zentrale Position heraus, indem er das "Einweisungsgutachten von Dr. L.", dem gar keine reguläre Untersuchung zugrunde liegt, "schlüssig und nachvollziehbar" nennt und von den dort aufgeführten "Zitaten und Verhaltensbeobachtung" behauptet, sie böten "ausreichend einschlägiges Material, um die Diagnose zu begründen". Muß den Untergebrachten die Erfahrung, die er da mit Prof. P. machte, in seinem natürlichen Mißtrauen, seiner mitgebrachten Ablehnung jeden Kontaktes mit einem Psychiater nicht bestärken?

P. setzt nicht von ungefähr und dennoch irreführend die klassische Erzählung Kleists von Michael Kohlhaas mit Mollath in Parallele. Kohlhaas ist wohl ein Fall fanatisch-querulatorischer Rechtssuche, die P. für Mollath doch negiert. Im Gegensatz zu diesem kam es bei Kohlhaas zudem, wenn ich mich recht erinnere, zu Brandschatzung und Mord. Nie und nirgendwo aber kam bei Kohlhaas Geisteskrankheit ins Spiel. So fehlerhaft, wie Prof. P. Mollath die Diagnose "wahnhafte Störung" aufdrückte, bemühte er Kleists Erzählung. Wollte er, indem er klassische, wenn hier auch unpassende Literatur anführte, Eindruck schinden? Spekulierte er darauf, dass das Gedächtnis auch einiger Richter seit der Schulzeit vielleicht nicht mehr so frisch wäre?

An der Primärpersönlichkeit Mollaths ging Prof. P. auch bei seiner Gefährlichkeitsprognose achtlos vorbei. Das Wenige, das er dazu in Erfahrung brachte und referierte, ist eine Äußerung des Oberarztes Dr. Z. Dieser berichtet, "dass M. viele Anträge schreibe ..., gelegentlich queruliere und vorwurfsvoll, z.T. auch ausfällig werde, so dass man gar nicht dazu komme, seine Gefährlichkeit zu beurteilen".

Es berührt schon merkwürdig, dass eine forensisch-psychiatrische Klinik bei einem Patienten, der wegen Gemeingefährlichkeit seit fünf Jahren zwangsinterniert ist, "nicht dazu kommt, seine Gefährlichkeit zu beurteilen".

Die Klinik hat Mollath trotz fehlender Beteiligung an ihrem "strukturierten Modell" immerhin "Lockerungen" eingeräumt, denen dieser untadelig auch nachgekommen ist. Ungeachtet dessen bleibt die Gefährlichkeitsprognose des Prof. P. "ungünstig". Immer "von den Feststellungen des rechtskräftigen Urteils", dabei den Mollath nie eindeutig nachgewiesenen Reifenbeschädigungen ausgehend, schließt P. nach erneuter Beibiegung von allerlei fragwürdigen "Psychopathologien", er müsse bei ihm gutachtlich bezüglich der "Wahrscheinlichkeit neuer Straftaten ... zu einem ungünstigen Ergebnis kommen." Eine ähnliche Inkonsistenz und Inkonsequenz sind mir in einem Gutachten noch nicht begegnet.

4.7 Diskussion des Zusammenhangs von psychischer Krankheit und Gefährlichkeit
Zur Problematik von Prognosegutachten

Prognosen abzugeben ist grundsätzlich schwierig, die Begutachtung der Gefährlichkeitsprognose entsprechend. Dies vorausgestellt, gibt o.g. Klassiker-Buch von Venzlaff und Foerster als Prognosekriterien an:

  1. Anamnestische Befunde, besonders bzgl. früherer Delinquenz,
  2. Aktuelles Querschnittsbild der Persönlichkeit bzw. der Erkrankung,
  3. Verlauf seit Tatbegehung und
  4. Zukunftsperspektiven.
Wurde Gustl Mollath zu Unrecht verurteilt, war er je weder gewalttätig, war und ist er auch nicht geisteskrank, erübrigt sich an sich jede Diskussion einer Gefährlichkeit bei ihm von vornherein. Aber selbst wenn die Voraussetzungen zuträfen, von denen Prof. P. ausging, ist festzustellen:

Wie Dr. Schlötterer in seinem o.g. Exposé aus Fischer, Kommentar zum StGB, § 63 Rz 15 zitiert, setzt die Unterbringung nach § 63 StGB voraus, dass gemeingefährliche Taten "nicht nur möglicherweise, sondern wahrscheinlich begangen werden" und es nach der Rechtssprechung des BGH dazu gar "einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades" bedürfe. Er spießt die Bemerkung Ps. auf, dass man, ausgehend von dem Urteil des Landgerichts Nürnberg von 2006, "zu dem Schluß kommen (müsse), dass er (Mollath) keinen Zugang zu seiner eigenen Aggressivität hat und daher gefährdet ist, erneut vergleichbar gefährliche Handlungen zu begehen". Wenn P. aber weiter schreibe, "Herr M. habe sich bisher nicht von seinen als wahnhaft eingestuften Überzeugungen entfernt. Diese imponieren ... als unkorrigierbar", dann sei die Schlußfolgerung, so Dr. Schlötterer, wohl: Wer "nur aufgrund eines Fehlurteils in der Psychiatrie gelandet ist und weiterhin beteuert, dass sein Vorbringen nicht wahnhaft sei, hat keine Aussicht mehr, je freizukommen – es sei denn, dass er wider besseres Wissen erklärt, er sei einem Wahn verfallen." Kann es das sein?

Ein Wort noch zu den Unterstellungen, die Prof. P. den "Unterstützern von außerhalb des MRV", Zweiflern also an der Rechtmäßigkeit des Urteils von 2006 samt Einweisungsgutachten, an den Kopf wirft. Er habe "nicht den Eindruck" schrieb er, "dass es sich dabei ausschließlich um Personen aus der antipsychiatrischen scientologischen Ecke handelt, sondern unter anderem auch um Menschen, die ernsthaft um Herrn M. besorgt sind." Vornehm oder doch eher unverfroren, ohne nämlich einen Krümel von Beweis in Händen zu haben, unterstellt P. diesem Kreis, er sei teilweise doch "antipsychiatrisch", also wissenschaftsfeindlich eingestellt und mindestens der eine oder andere in ihm habe doch einige Verbindungen zur Scientology, was schon einer Verleumdung gleichkommt. Sie soll vorbeugend wohl auch sein eigenes Gutachten vor Anzweiflungen schützen, vor einer Kritik vielleicht, wie sie auch der vorliegende Text beinhaltet. Ich selbst gehöre, um das klarzustellen, dem o.g. Freundeskreis nicht an.

"Oberarzt Dr. Z. sagte mir", schreibt P. und gibt damit erneut wohl ein wenig auch von seiner eigenen Meinung wieder, "diese Kontakte würden Herrn Mollath nicht wirklich nützen; eine Kooperation mit diesen Personen habe bisher nicht stattgefunden." Inzwischen hat sie stattgefunden. Woher will P. auch wissen, ob der Kontakt Herrn Mollath nicht doch nützen wird nicht unbedingt "durch Verbesserung seiner Kooperation mit der Klinik", aber vielleicht durch das In-Gang-Bringen einer grundsätzlichen Überprüfung der Vorgänge. Die "Dienste" der Klinik hat Gustl Mollath offensichtlich nie benötigt noch wird er sie von sich aus je in Anspruch nehmen wollen.

Zu der vorliegenden (besagtem Gutachten ähnlichen) Stellungnahme steuerte einer meiner Fachkollegen aus dem weiteren Nürnberger Raum - einem Mitglied der o.g. Arbeitsgemeinschaft ist er gut bekannt - noch wertvolle Anregungen bei. Er wollte mir seinen Namen nicht nennen, weil er, wenn sein Inkognito fiele, von Nürnberger Gerichten geschnitten würde. Auf deren Gutachtensaufträge sei er existentiell angewiesen. Dies nur als weiterer Hinweis, wie es um die freie Urteilsbildung von Gutachtern und damit die Rechts- und Wahrheitsfindung bei Gericht in Deutschland teilweise aussieht.

4.8 Zusammenfassend ergab meine Nachuntersuchung am 11.4.2011 bei Gustl Mollath, der seit 27.2. 2006 psychiatrisch untergebracht ist, keine Anzeichen einer die freie Willensbestimmung einschränkenden psychischen Erkrankung oder einer aus ihr erwachsenden Gemeingefährlichkeit. Die Gutachten meiner Kollegen Dr. L. und Prof. P., die eine solche Erkrankung diagnostizierten und damit zu dem über fünfjährigen Freiheitsentzug für Mollath führten bzw. dessen Fortdauer befürworten, beurteilte ich als in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft.

In Beantwortung der gestellten gutachtlichen Fragen plädierte ich nach den vorangestellten Ausführungen für die unverzügliche Aussetzung der Unterbringung Gustl F. Mollaths gemäß § 67e StGB. Ich bestätigte aber auch, dass den Stellungnahmen der Vorgutachter der Charakter einer "vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht" (zur unvoreingenommenen, unparteiischen Wahrheit) "zuungunsten des Verurteilten" anhaftet, demnach die Voraussetzungen für ein Wiederaufnahmeverfahren nach § 359 Abs. 1, Nr. 2 StPO erfüllt seien, und dass sich hier gar ein Richter "in Bezug auf die Sache einer strafbaren Verletzung seiner Amtpflichten schuldig gemacht hat" (§ 359, Abs. 3 StPO). Das aktuelle Gutachten des Sachverständigen Prof. P. genüge den wissenschaftlichen und ethischen Anforderungen, die ein Gutachten im Bereich der forensischen Psychiatrie zu stellen sind, in keiner Weise.

(Das Gutachten gezeichnet Dr. F. Weinberger, Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie)

4.9 Am 9.5.2011 gab es beim Landgericht Bayreuth (Strafvollstreckungskammer) einen Prüftermin, zu dem Mollath in Handschellen zu- und abgeführt wurde. Das Gericht blieb auf seiner Linie. Es verwarf das Gutachten, weil von besagtem Freundeskreis in Auftrag gegeben, kurzerhand als nicht objektiv. Dies ein weiterer Grund, es nunmehr in angenäherter Form, wie vorstehend, wiederzugeben. Ist ein Gutachter nicht mehr "objektiv" und eines Gehörs nicht mehr wert, weil er von der Meinung von Vorgutachtern abweicht? Auch nach dem Vorliegen des in § 359, Abs. 3 genannten Sachverhalts, der richterlichen Verletzung von Amtspflichten, war ich gefragt worden, hatte ich also zu antworten auf die Gefahr hin, den Richter damit besonders zu vergrätzen. Bei einem Dreiergespräch Dr. L., Mollath, Heindl bezeichnete ersterer den Untergebrachten inzwischen selbst als "friedfertig" und äußerte, dass er "für andere keine Gefahr darstellt". Mollath schmort dennoch weiter.

Wenn sich uns in den 70ern und 80ern der Eindruck aufdrängte, hinter dem Mißbrauch der Psychiatrie stehe skrupelloser linker Machtanspruch, so haben spätestens die Fälle Schmenger und Kollegen, zuletzt besonders aber der Fall Mollath in seiner Kraßheit klar gemacht, dass Psychiatriemißbräuche zur Erledigung Unliebsamer auch in westlichen Ländern nicht nur vorkommen, sondern sie hier, "wissenschaftlich" aufbereitet, gar von konservativen Politikern vorgehalten und zumindest mit ihrem Mitwissen zur Anwendung kommen. In allen letztgenannten Fällen scheint ein und der gleiche Motivationshintergrund auf: Ausschaltung von Kritikern großer, krummer Finanzgeschäfte. Aber auch Kritiker just der psychiatrischen Weise dieser Ausschaltung werden von Politikern und Medien mit allen erdenklichen Mitteln niedergemacht, von der Psycho-Hierarchie, die den Machthabern jeder Couleur zu dienen bereit ist, erst recht.

Mitunter macht vielleicht unsere deutliche Aussprache selbst Betroffene kopfscheu, dazu auch, dass wir über unsere deutschen Regierungs- und Justizbehörden hinaus gar höchste internationale Instanzen unter Kritik nehmen. Wie aber könnte der Ungeheuerlichkeit des Psychiatriemißbrauchs, den wir zuhauf in der Diktatur, da und dort jetzt aber auch im "Rechtsstaat" erleben und der jederzeit jeden von uns mit unversehens hereinbrechender, vollständiger Entrechtung bedroht, beizukommen sein, ohne die kenntlich zu machen, die letzten Endes dafür die Verantwortung tragen?

Mit den Fällen E. Herrmann, R. Schmenger und Kollegen und jetzt G. Mollath legt sich nach dreieinhalb Jahrzehnten zum Glück jetzt jedoch – das ist der mögliche Gewinn – ein größerer Kreis kompetenter Männer und Frauen mit uns "ins Zeug" des Widerstands. Er eröffnet damit neue Aussicht, der Sache beizukommen.

Die Tatsache, dass die Reform der Psychiatrie, mit ihr verbunden eine erhöhte Gefahr ihres Mißbrauchs von "ganz oben", von weit höheren Rängen jedenfalls als dieser oder jener Landesregierung ausgehen, macht auch verständlich, dass Kritiker wie wir "von oben" aufs Giftigste bekämpft werden und infolge der überlegenen Einflußmöglichkeiten solch "Oberer" auch bei den Opfern auf "unteren" Ebenen mitunter auf Mißtrauen stoßen, bei den abhängigen Opferverbänden natürlich erst recht. Von klein auf sind wir gewohnt, denen, die für uns sorgen, einst Mama und Papa, Vertrauen entgegenzubringen. Nachdem wir Deutschen mit nationalen Regierungen einigen Schiffbruch erlitten, sind viele von uns bereit, ihr Vertrauen auf übernationale, europäische oder gar noch höhere, noch weiter ausgreifende, noch weniger greifbare Instanzen zu setzen. dass hemmungslose Machtinteressen möglicher- oder gar wahrscheinlicher Weise auch dort obwalten und eine Vermehrung, Verfeinerung ihrer Machtmittel auf möglichst dauerhafte Herrschaft hin verfolgen, den Gedanken wagt kaum jemand zu fassen, geschweige ihn auszusprechen. "Verschwörungstheorien" bekommt leicht angehängt, wer es tut.

Vergessen wir nicht, dass auch an der US-Psychiatrie genug Fragwürdiges ist. Nicht zwar die Massenmorde der Nazi-Psychiatrie, aber Zwangssterilisationen Kranker, reale Menschenversuche, ein MK-Ultra-Projekt der CIA hat es auch bei ihr gegeben. Zu Vorsicht ist bei allzu viel Großartigkeit zu raten, wie sie uns jetzt auch in den unter 2.5 und 2.6 vorgestellten Büchern begegnet. Die Medizin, die den Mitmenschen unvermeidlich in die Rolle des Patienten rückt, ist immer in Gefahr, sich über ihn aufzuwerfen. Wir haben schon zu fragen – auch viele andere haben die Frage zu Recht schon gestellt -, warum gerade im seelenheilkundlichen Zweig der Medizin immer wieder, mit Lug und Trug und einer penetranten Großmauligkeit gepaart, schlichte Menschenverachtung zum Tragen gekommen ist. Ihre naturwissenschaftliche Orientierung wird oft verantwortlich gemacht – vor allem von Sozial- und Pseudowissenschaftlern, die damit selbst besser dastehen wollen. Von aller "Wissenschaft (wissenschaftlichen Abstraktion) vom Menschen" aber droht die Mißachtung des Menschlichen.

Die Wissenschaft ist, so sehr sich ihre Vertreter auch blähen, allzu oft die Magd der Mächtigen gewesen. Wenn auch in verschlüsselter Form als Fabel und Zukunftsvision, so wurde dieses Faktum in der politischen Entwicklung doch schon vor Jahrzehnten in aller Deutlichkeit mit Hinweisen auch auf die impliziten seelen(heil)kundlichen Beiträge eindringlich dargelegt in Aldous Huxleys SCHÖNEr NEUEr WELT wie auch in George Orwells 1984.

Der Psychiatriemißbrauch ist etabliert jetzt unter uns. Aber es haben sich doch auch einige Änderungen zum Besseren hin eingestellt. Der Mißbrauch ist in seinen wissenschaftlichen und politischen Dürftigkeiten ausgelotet. Mehr Menschen nehmen ihn in seiner Monstrosität heute wahr. Und die modernen Kommunikationsmittel, vor allem das Internet erschließen weitere Öffentlichkeit. Es ist gewiß nicht ausgemacht, ob ihm Einhalt zu gebieten sein wird. Aussicht aber besteht.

 

 

 

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